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Wolfgang Benz (Hrsg.)

Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart. Band 2: Personen

Berlin: Walter de Gruyter 2009; XXI, 934 S.; 159,95 €; ISBN 978-3-598-24072-0
In dem Kurzporträt der Brüder Grimm lässt sich beispielhaft das Anliegen, das mit dieser Publikation verfolgt wird, nachlesen. So wird daran erinnert, dass Jacob Grimm „Abgeordneter im Frankfurter Parlament von 1848 war, das fast einstimmig dafür votierte, den deutschen Juden bedingungslose bürgerliche und politische Gleichstellung zu gewähren“. Zugleich aber spielten er und sein Bruder Wilhelm „eine Rolle in der Geschichte des literarischen Antisemitismus“ (270), weil sie in den „Kinder- und Hausmärchen“ und den „Deutschen Sagen“ antisemitische Stereotype bedienten und zum Beispiel in „Der Jude in Dorn“ diesen explizit als Schuldigen darstellten, der schäbig gekleidet war und einen lächerlichen Dialekt sprach. Die wissenschaftliche Intention dieses zweiten Teils des mittlerweile auf sieben Bände angelegten Handbuchs bestehe darin, so erläutert Benz, „das Verhältnis der Porträtierten zum Judentum und zur Judenfeindschaft zu zeigen“ (VI). Berücksichtigt worden seien deshalb nicht nur Personen, die „die Hetze gegen Juden zu ihrem wichtigsten Lebensinhalt machten“, sondern auch Menschen, bei denen in einzelnen Lebensphasen antijüdische Einstellungen prägend gewesen seien oder in deren Überzeugungen sich der Zeitgeist gespiegelt habe. Die zwei Teilbände enthalten so „rund 700 Biographien von Personen, die von der Spätantike bis zur Gegenwart auf allen Kontinenten der Erde im Kontext der Judenfeindschaft eine Rolle gespielt haben“ (V). Abgebildet werden aber nicht nur über die Jahrhunderte bestehende Vorurteile und Diskriminierungen, sondern auch die Versuche etwa Heinrich Heines, „die Spannung zwischen diesen [jüdischen und christlichen] Identitätskonzepten“ (348) aufzulösen. Es zeigt sich allerdings, dass diese Ideenwelten bis in die Gegenwart hinein existieren und immer wieder neu generiert werden – etwa in den Texten Martin Walsers, in denen „schon früh diverse Momente des Nachkriegsantisemitismus aufzufinden sind“ (874), wiederkehrende Konstanten seien die Täter-Opfer-Umkehr, die Entkonkretisierung des Holocausts und die Emphatieverweigerung für die jüdischen Opfer (zur Einführung in die Reihe siehe ZPol-Nr. 36023).
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.1 | 2.23 | 2.25 | 2.6 | 2.31 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Wolfgang Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus. Berlin: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/32042-handbuch-des-antisemitismus_38217, veröffentlicht am 23.03.2010. Buch-Nr.: 38217 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken