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Ingrid Steiner-Gashi / Dardan Gashi

Im Dienst des Diktators. Leben und Flucht eines nordkoreanischen Agenten

Wien: Ueberreuter 2010; 208 S.; hardc., 19,95 €; ISBN 978-3-8000-7450-1
Die Autoren schildern die Geschichte des heute 75-jährigen Nordkoreaners Kim Jong Ryul, der im Auftrag seiner Regierung über Jahrzehnte nach Deutschland und Österreich gereist war, um Technik und Konsumgüter einzukaufen oder Schulungen zu organisieren. 1994 entschied er sich aber unter abenteuerlichen Umständen zur Flucht. Die Geschichte Ryuls beginnt mit seiner Studentenzeit im Leipzig der 50er-Jahre. Dort studierte er Deutsch, die Bedingung für seine spätere Tätigkeit für das nordkoreanische Regime, und lernte die relative Freiheit der DDR schätzen. Doch schon als die nordkoreanischen Studierenden kollektiv Anfang der 60er-Jahre aus der als unzuverlässig angesehenen DDR zurückbeordert wurden, mussten sie sich 40 Tage lang in einem Prozess aus „Kritik, Selbstkritik, Lobpreisungen der Errungenschaften Kim Il Sungs“ (73) als zuverlässig erweisen. Einige der fähigsten Kollegen Ryuls wurden zur Zwangsarbeit in Kohlebergwerken verurteilt. Je öfter er sich in der Erfüllung seiner Aufträge in den Westen begab, desto deutlicher wurde ihm, dass die Propaganda über westliche Verkommenheit nicht der Realität entsprach. Hingegen wurde ihm sehr deutlich, dass in Nordkorea nichts ohne Gefälligkeiten und von seinen Reisen mitgebrachten Geschenken funktionierte. Als der Ostblock schließlich zusammenbrach, traf dies Nordkorea besonders hart. Je weiter sich Ryul von Pjöngjang entfernte, „umso sichtbarer [wurde] das Elend“ (117). Dabei herrschte in dem Land eine solche Kontrolle, dass niemand auch nur über Missstände zu sprechen wagte. Als der Ostblock kollabierte, war Ryul in Deutschland, in Nordkorea sprach niemand von den weltpolitischen Umbrüchen und auch Ryul wagte es nicht. Doch auf seine Pensionierung zugehend und damit das Ende seiner Privilegien gewahr werdend, entschloss sich Ryul zur Flucht auf seiner nächsten Auslandsreise. Er informierte weder seiner Ehefrau noch die Kinder, da ihnen die Deportation in ein Zwangslager drohte. Jahrelang lebte er ohne Kenntnis der Behörden in Österreich und spricht erst jetzt „über seine Wut auf die Verlogenheit des Systems, über seine Angst, jederzeit jedes Lebensrecht zu verlieren“ (205).
Timo Lüth (TIL)
Student, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.68 | 2.25 Empfohlene Zitierweise: Timo Lüth, Rezension zu: Ingrid Steiner-Gashi / Dardan Gashi: Im Dienst des Diktators. Wien: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/32200-im-dienst-des-diktators_38408, veröffentlicht am 04.01.2011. Buch-Nr.: 38408 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken