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Gunter Hofmann

Richard von Weizsäcker. Ein deutsches Leben

München: C. H. Beck 2010; 295 S.; geb., 19,95 €; ISBN 978-3-406-59809-8
Der Eindruck, der nach der Lektüre dieser Beschreibung des politischen Lebens von Weizsäckers bleibt, ist durchaus zwiespältig – die Lichtgestalt, die am 8. Mai 1985 mit einer einzigen Rede den geschichtspolitischen Charakter der Bundesrepublik umformte, warf auch Schatten und war keineswegs immer politisch völlig unbestechlich. Der Journalist Hofmann, lange Jahre Chefkorrespondent der „Zeit“, beschreibt – und dies zeichnet diese Biografie aus – von Weizsäckers Vita nicht einfach chronologisch, sondern konzentriert in den Kapiteln wichtige Stationen und persönlich-politische Entwicklungen. Als zentral arbeitet er das Verhältnis zum Vater und vor allem dessen Verteidigung vor dem Nürnberger Kriegsverbrechertribunal heraus. Deutlich hervorgehoben wird, dass von Weizsäcker darauf beharrt, den Vater nicht aus Gründen des familiären Zusammenhalts mitverteidigt zu haben, sondern aus der Überzeugung, dass dieser sich keines Verbrechens schuldig gemacht habe. Hofmann überlässt dem Leser die plausiblen Zweifel, ob der einstige Staatssekretär im Auswärtigen Amt, der die Zerschlagung der Tschechoslowakei begrüßte, wirklich nur ein unbescholtener Beamter sein konnte. Dennoch ging von der Haltung des Vaters für von Weizsäcker und seinen Bruder, den Physiker Carl Friedrich, ein wichtiger Impuls aus. Hofmann zeichnet ihn als das politische Werden des Bürgertums nach – mit der Pflicht zu Engagement und Einmischung. Von Weizsäcker wird dabei allerdings als jemand porträtiert, der seine Politik stets mit parteipolitischem Augenmaß betrieb und so – etwa als es um die Haltung seiner Partei, der CDU, zu der Ostpolitik Brandts ging – manchmal kurz davor stand, nicht offen für seine eigenen Überzeugungen (hier: die Aussöhnung mit Polen) einzustehen. Zudem stellt Hofmann den Ansichten und Deutungen von Weizsäckers die von Helmut Schmidt gegenüber, konterkariert sie geradezu – und entwickelt so ein differenziertes Porträt. Noch einmal aufschlussreich nachzulesen sind die Zweifel von Weizsäckers an der Art und Weise, wie die Wiedervereinigung zustande kam – von Parteifreunden damals kritisiert, hatte er schon frühzeitig auf die Schwierigkeiten, die innere Einheit zu erreichen, verwiesen.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.3 | 2.313 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Gunter Hofmann: Richard von Weizsäcker. München: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/32218-richard-von-weizsaecker_38428, veröffentlicht am 09.06.2010. Buch-Nr.: 38428 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken