Der Vertrag von Lissabon. Analyse und Bewertung
Der Sammelband geht auf ein deutsch-französisches Forschungsprojekt des Zentrums für Europäische Integrationsforschung mit dem Institut français des relations internationales (Ifri) zurück. Aus politik-, wirtschafts- sowie rechtswissenschaftlicher Perspektive wurde eine detaillierte Analyse des Vertrags von Lissabon unternommen. Der Aufbau des Bandes ist an der Struktur des Vertrags über die Europäische Union (EUV-L) und seinen aufeinander folgenden Bestimmungen u. a. über die Politikbereiche, demokratischen Grundsätze, Organe und die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik orientiert. Die Autoren der Beiträge untersuchen jeweils anhand des gleichen Grundschemas den Regelungsbereich und die Unterschiede der Bestimmungen zum Verfassungsvertrag und dem Vertrag von Nizza. Am Ende eines jedes Beitrags erfolgt eine kritische Bewertung sowohl der konstruktiven als auch der nicht überzeugenden Elemente. Die Herausgeber und Autoren sind sich in ihren Analysen insgesamt darin einig, dass der Vertrag einen für die Union typischen „Kompromissvertrag“ (25) darstellt, der das vorherrschende Stimmungsbild Europas, seiner Eliten und Bürger erfasst und das derzeit bestmögliche Ergebnis liefert. So wäre einerseits der viel beklagte Graben zwischen der EU und ihren Bürgern verringert worden. Die Stärkung des Europäischen Parlaments – u. a. durch die Kodifizierung des Mitentscheidungsverfahrens als „ordentliches Gesetzgebungsverfahren“ –, der Mechanismus der „doppelten Mehrheit“ im Rat oder die Möglichkeit einer Bürgerinitiative auf europäischer Ebene seien Ansätze hin zu mehr Transparenz. Auf der anderen Seite würden viele Konzepte durch den Verzicht auf einen singulären Verfassungsvertrag und die Einbettung in die Struktur seit den Verträgen von Maastricht entweder nur an der Oberfläche bleiben oder eine bloße primärrechtliche Nennung ohnehin schon angewandter Instrumente darstellen, wie beispielsweise die Europäische Nachbarschaftspolitik. Insgesamt biete der Vertrag von Lissabon wenig große Innovationen und reihe sich gerade deshalb in die pfadabhängige Vertragsgeschichte europäischer Integration ein.