Normative Politikwissenschaft. Eine analytische Grundlegung
Politikwiss. Habilitationsschrift Stuttgart. – Obwohl politische Entscheidungen stets Werthaltungen einzelner Akteure implizieren, wird in der zeitgenössischen Politikwissenschaft mehrheitlich die Ansicht vertreten, normative Fragen gehörten nicht zu ihrem Gegenstand. Diese politikwissenschaftliche Abstinenz gegenüber normativen Fragen bewirkt jedoch nicht nur, dass der Bereich Politische Theorie aus dem Fach zu verschwinden droht. Verweigert wird auch die Chance auf einen interdisziplinären Diskurs, was letztlich wissenschaftliche Stagnation und „Ignoranz gegenüber einem wesentlichen Teil politischer Realität“ (75) zur Folge hat. Vor diesem Hintergrund legt Burth seine Skizze normativer Politikwissenschaft vor, die er zunächst aus der vornehmlich angelsächsischen normativen Policy-Analyse und den metaethischen Konzepten von Habermas, Rawls und insbesondere Druwe heraus konstruiert. Nach einer umfangreichen systematisch angelegten Diskussion metaethischer Ansätze plädiert der Autor zugunsten eines komplexen und anwendungsorientierten metaethischen Kognitivismus. Dass die zeitgenössische Politikwissenschaft dem entworfenen Anspruchsniveau nicht standhält, wie der Autor mit Bedauern feststellt, begründet sich aber nicht allein aus der Normvergessenheit der Politikwissenschaft, sondern auch aus der mangelnden Komplexitätsreduzierung der hier vorgetragenen abstrakt-normativen Programmatik mit ihren zahlreichen subtilen und diffizilen Begriffsbildungen. Angemerkt sei, dass die traditionelle normative Politikwissenschaft der 50er-Jahre, die sich als explizites Gegenprogramm zum Behavioralismus verstand, in der Darstellung von Burth keine Rolle spielt – womit die Frage nach den Ursachen der Abkehr von einer normativen Politikwissenschaft verstellt bleibt.