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Dirk Moldt

Nein, das mache ich nicht! Selbstbestimmte Arbeitsbiographien in der DDR

Berlin: Ch. Links Verlag 2010; 174 S.; brosch., 29,90 €; ISBN 978-3-86153-606-2
Der Begriff der Nischengesellschaft ist in der DDR-Forschung aus der Mode gekommen – zu Recht, wie sich mit dieser Studie über Menschen, die sich den gängigen Regeln für die Teilnahme an der Arbeitswelt entzogen, zeigt: Jede Abweichung vom üblichen – politisch verordneten und gesellschaftlich akzeptierten – Verhalten musste mühsam erkämpft und ständig verteidigt werden. Dieser Eindruck basiert auf zwölf Interviews, die der Autor führte. Den persönlichen Schilderungen voran stellt Moldt eine ausführliche Darstellung der Bedeutung, den die Arbeit in der sozialistischen Welt der DDR einnahm: Ausgehend von dem „unglaublich hohen Stellenwert der Arbeit in der kommunistischen Philosophie“ wurde sie zum „Hauptinhalt des Lebens“ (13) erklärt und zu einer „Kampfform“ (14) gemacht. Die (Lohnerwerbs-)Arbeit wurde als eine Ressource gesehen, „die dem Arbeiter- und Bauern-Staat pflichtgemäß zur Verfügung gestellt werden musste“, die Arbeitswelt war das „Hauptkampfgebiet gegen die Feinde des Sozialismus“ (15) – und damit auch der Ort, an dem das Individuum kontrolliert wurde. Versuche, sich dieser Verpflichtung und somit der Kontrolle zu entziehen, wurden – gesellschaftlich akzeptiert – als asoziales Verhalten angesehen und konnten strafrechtlich verfolgt werden. Aber auch unterhalb dieser Ebene wurden die Menschen vor Hindernisse gestellt, wie etwa der Schauspieler Wolfgang Häntsch. Nachdem er mehrmals versucht hatte, in Mecklenburg eine freie Künstlergemeinschaft zu gründen, erhielt er keine Engagements mehr und sah sich de facto einem Berufsverbot ausgesetzt, er musste zeitweise als Telegrammbote und Friedhofsgärtner arbeiten. Bedenke man, so Moldt, dass in der DDR-Bevölkerung Werte wie Eigenverantwortlichkeit und Respekt vor Individualität „durch Pseudowerte wie übersteigertes Arbeitsethos, Disziplin und Gehorsam ersetzt waren, bekommt man eine vage Vorstellung von der mental verheerenden Wirkung der Langzeitarbeitslosigkeit in Ostdeutschland zu Beginn der neunziger Jahre“ (65).
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.314 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Dirk Moldt: Nein, das mache ich nicht! Berlin: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/32912-nein-das-mache-ich-nicht_39313, veröffentlicht am 22.12.2010. Buch-Nr.: 39313 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken