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Carmen Dege

Die Lüge und das Politische. Freiheit und Sicherheit in der Präventionsgesellschaft

Gießen: Psychosozial-Verlag 2010 (Subjektivität und Postmoderne); 230 S.; 26,90 €; ISBN 978-3-8379-2065-9
Dege thematisiert „die Paradoxien einer liberalen Sicherheitsgesellschaft“ (208), mit denen versucht wird, die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit zu erreichen. Damit hat sich die Autorin vorgenommen, die Verquickung beider Begriffe selbst als Lüge im Diskurs sowie deren freiheitsbedrohende Konsequenzen zu entlarven. Sie geht dabei in vier Schritten vor. Nachdem sie den Sicherheitsdiskurs in Deutschland seit den späten 60er-Jahren rekonstruiert hat, erörtert sie Foucaults Begriff des Sicherheitsdispositivs. Daran schließt sich die eigentliche analytische Leistung Deges an: Die Konzeptualisierung des Begriffs der Lüge im Anschluss an Hannah Arendt. Die Brücke zu Foucault wird dabei mit dem Konzept der strukturellen Lüge – im Gegensatz zur konventionellen intentionalen Lüge – geschlagen. Charakteristisch für eine solche organisierte Lüge sei beispielsweise der Diskurs der Alternativlosigkeit, der freies Handeln im Sinne Arendts verhindere. Das so gewonnene Begriffsraster wird abschließend mit einer allzu knappen Diskursanalyse auf die deutsche Debatte zu Sicherheit und Freiheit seit 2001 angewandt (Schwerpunkt sind die Argumente von Schäuble und Di Fabio). Dege versucht dabei zu zeigen, dass die enge Verknüpfung von Sicherheit und Freiheit zu einer einseitigen Konzentration auf einen negativen, utilitaristisch gefassten Freiheitsbegriff führt, der in letzter Instanz zur Vernichtung der Freiheit als politisches Handeln führe. Sie bestätigt damit die ungebrochene Relevanz des Denkens Hannah Arendts, ergänzt durch das Konzept der Lüge. Diese Leistung hätte im Titel und im Aufbau der Arbeit stärker hervorgehoben werden können. Das eher resümierende Kapitel zu Foucault und unnötige Ausschweifungen in an Platon, Nietzsche, Heidegger und Derrida orientierte Sprachspielereien lenken dagegen zuweilen zu stark von der wichtigen Kernargumentation ab. Im Gegenzug wäre eine eingehendere Analyse des deutschen Diskurses wünschenswert gewesen, da Dege gerade hier die Leistungsfähigkeit des an Arendt orientierten Begriffsrasters zeigt und ihr sonst oft resümierender Stil einen eigenen analytischen Schwerpunkt gewinnt. Diskussionswürdig ist schließlich die von Dege ins Auge gefasste vollständige Delegitimation des liberalen Diskurses von Freiheit und Sicherheit. Es fragt sich, ob es nicht ratsamer wäre, lediglich seine Verabsolutierung zu kritisieren.
Andreas Braune (BR)
M. A., Politikwissenschaftler, wiss. Mitarbeiter, Projekt "Bildung zur Freiheit", Institut für Politikwissenschaf, Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Rubrizierung: 5.42 | 2.35 | 2.37 | 2.343 Empfohlene Zitierweise: Andreas Braune, Rezension zu: Carmen Dege: Die Lüge und das Politische. Gießen: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/33147-die-luege-und-das-politische_39611, veröffentlicht am 17.03.2011. Buch-Nr.: 39611 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken