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Nicolai Hannig

Die Religion der Öffentlichkeit. Kirche, Religion und Medien in der Bundesrepublik 1945-1980

Göttingen: Wallstein Verlag 2010 (Geschichte der Region in der Neuzeit 3); 454 S.; 39,90 €; ISBN 978-3-8353-0799-5
Geschichtswiss. Diss. Gießen; Gutachter: F. Bösch. – Dass die Medien zu den herausragenden gesellschaftlichen Faktoren eines religiösen Gestaltwandels in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gehören, zeigt Hannig mit bestechender Präzision und großer Materialfülle. Er geht zunächst chronologisch vor und beschreibt Stationen des Verhältnisses von Kirchen und Medien in der Bundesrepublik. So sind die 50er-Jahre geprägt durch eine kurzzeitige Revitalisierung des Religiösen und eine feste öffentliche Präsenz der Kirchen in Presse und Rundfunk. Im Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks liegt die Hoheit über die Berichterstattung sogar direkt bei den Kirchen. Die 60er-Jahre stehen im Zeichen eines kritischen Religionsjournalismus, man denke etwa an Rudolf Augsteins Jesus-Arbeiten im Spiegel. In den 70er-Jahren zeigt sich dann der entscheidende Wandel in der öffentlichen Wahrnehmung des Glaubens, den Hannig im zentralen Kapitel des Buches unter dem Titel „Aus Kirche wird Religion“ (305 ff.) sehr treffend auf den Begriff bringt. Prägende Merkmale dieser Transformation sind die Individualisierung der Glaubenserfahrung, die Politisierung des Glaubens und vor allem die Pluralisierung und Ausdifferenzierung des Religiösen. Neben dem chronologischen Zugriff werden zentrale Debatten über Kirche und Öffentlichkeit in ihrem Verlauf dargestellt. Hier vermag insbesondere die Darstellung der medialen Auseinandersetzung um die Rolle der Kirchen im Nationalsozialismus zu überzeugen. In dem aus politikwissenschaftlicher Sicht interessanten Kapitel über die öffentliche Wahrnehmung der politischen Kompetenz der Kirchen arbeitet Hannig sehr klar heraus, in welchen Etappen der „Glaubwürdigkeitsverlust des religiösen Arguments“ (176 f.) verlief. Die Arbeit ist im Kontext eines DFG-Forschungsprojektes „Transformation der Religion in der Moderne“ entstanden.
Sebastian Lasch (LA)
M. A., wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Universität Jena.
Rubrizierung: 2.35 | 2.333 Empfohlene Zitierweise: Sebastian Lasch, Rezension zu: Nicolai Hannig: Die Religion der Öffentlichkeit. Göttingen: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/33187-die-religion-der-oeffentlichkeit_39673, veröffentlicht am 09.02.2011. Buch-Nr.: 39673 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken