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Paul Ginsborg

Italien retten. Aus dem Italienischen von Friederike Hausmann und Rita Seuß

Berlin: Verlag Klaus Wagenbach 2011 (Politik bei Wagenbach / Wagenbachs Taschenbuch 655); 143 S.; 10,90 €; ISBN 978-3-8031-2655-9
Der Überzeugung, die italienische Nation durchlaufe zur Zeit einen nicht abzusehenden Prozess des politischen, sozialen und kulturellen Verfalls, begegnet der Historiker Ginsborg mit dem selbstbewussten Programm, aus der Geschichte des italienischen Einigungsprozesses mögliche Lehren für die Beseitigung der aktuellen Probleme Italiens zu destillieren und damit zur Rettung der Nation beizutragen. Hierfür bietet er zunächst einen Überblick über die ambivalente, z. T. äußerst gewalttätig ausgetragene Nations- und Staatsbegründung Italiens im 19. und 20. Jahrhundert, um anschließend „vielfach vergessene Spuren“ (48) der Geschichte Italiens auszumachen. Zu diesen Elementen von enormer Prägekraft zählt Ginsborg etwa die föderalistische Selbstverwaltung, wie sie für die mittelalterlichen Stadtstaaten Italiens bezeichnend war, in der Einigungsbewegung des Risorgimento aufgegriffen wurde und aktuell in verzerrter Form von den Separatisten des italienischen Nordens angestrebt wird. Weiterhin gelten ihm als bis in die Gegenwart hineinreichende Charaktermerkmale Italiens der besondere Europa-Bezug, die Idee er politischen und sozialen Gleichheit, die bis heute den Zusammenhalt, etwa im Nord-Süd-Gefälle massiv gefährdet und zuletzt die „Sanftmut“ (69), die Ginsborg als eine Art italienische Kardinalstugend entwirft. Ähnlich stichpunktartig befasst sich der Historiker nachfolgend mit den Faktoren, vor denen es Italien zu retten galt und gilt. Hierzu zählt er vornehmlich die unproportionale Macht der Kirche im Staat, den tief verwurzelten Klientelismus, die konjunkturelle Wiederkehr diktatorischer Herrschaftsformen sowie eine mangelnde politische Alternative aus den Reihen der Linken. Diese Punkte sind nicht neu und leider gelingt Ginsborg die essayistische Synthese nur bedingt, da seiner anekdotischen Skizze der großen Problemfelder der italienischen Geschichte und Gegenwart streckenweise schlicht die Definitionsschärfe fehlt. Als zitatgesättigtes Panorama der (heutigen) Nachwehen des Risorgimento mag der schmale Band dienen, als Rettungsprogramm wohl eher nicht.
Britta Voß (BVO)
M. A., Historikerin, wiss. Mitarbeiterin, Historisches Seminar, Ludwig-Maximilians-Universität München.
Rubrizierung: 2.61 | 2.22 Empfohlene Zitierweise: Britta Voß, Rezension zu: Paul Ginsborg: Italien retten. Berlin: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/33804-italien-retten_40492, veröffentlicht am 24.05.2011. Buch-Nr.: 40492 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken