Die Strukturen der Macht. Die Organisationsentwicklung der estnischen Regierungszentrale: Von der nationalen Unabhängigkeit zum EU-Beitritt 1992-2004
Politikwiss. Diss. Potsdam; Gutachter: W. Jann, K. Goetz. – Das Buch stellt ein Teilergebnis des Forschungsprojekts „Entstehungsbedingungen, Organisation und Leistungsfähigkeit der zentralen Ministerialverwaltung in Mittel- und Osteuropa“ dar. Dahlmann untersucht die Entwicklung der estnischen Regierungszentrale unter den Bedingungen der postsowjetischen Transformation aus einer politik- und verwaltungswissenschaftlichen Perspektive. Den Schwerpunkt bildet die Analyse der formalen Organisationsstruktur der Regierungszentrale, insbesondere der Führungsebene und die der einzelnen Abteilungen und Stabstellen. Darüber hinaus berücksichtigt er wichtige Kontextvariablen (historische Hinterlassenschaften, externe Einflüsse und Akteure) und fragt nach den Erklärungsfaktoren der Entwicklung der estnischen Binnenstruktur. Dahlmann kann im Zuge der Längsschnittanalyse aufzeigen, dass innerhalb der Verwaltungsmodernisierung drei Phasen – Reorganisation, Reformprogramme und Fine-Tuning – unterschieden werden können. Darüber hinaus bewertet der Autor die organisatorischen Strukturveränderungen der estnischen Regierungszentrale anhand einer detaillierten Dokumentation als adaptiv. Die Untersuchung zeigt, dass trotz der EU-Konditionalität in Bezug auf Verwaltungsreformen selbst in für Estland bedeutenden Politikbereichen keine reflexive Institutionenpolitik erfolgt. Zwar lasse sich eine Reaktion auf den durch den EU-Beitritt bedingten externen Druck feststellen, jedoch handeln die Akteure nicht vorausschauend und aus eigener Motivation. In dieser fehlenden Reflexion und Eigenmotivation sieht Dahlmann die Ursache dafür, dass sich die Regierungszentrale nicht zu so etwas wie einem Oberministerium entwickelt hat. Er gelangt zu dem Fazit, dass die Veränderungen der betrachteten Jahre weniger einer einheitlichen und konsistenten Strategie folgten; vielmehr ist der organisatorische Aufbau eine Reaktion auf die Anforderungen komplexer (Transformations-)Politik. Dahlmann leistet insgesamt nicht nur einen Gewinn bringenden Beitrag zur Erforschung von Regierungszentralen allgemein. Seine Dissertation bietet ebenso neue Erkenntnisse im Bereich der Forschung zum institutionellen Wandel unter dem Einfluss der EU-Konditionalitäten.