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Raul Zelik

Nach dem Kapitalismus? Perspektiven der Emanzipation oder: Das Projekt Communismus anders denken

Hamburg: VSA 2011; 143 S.; 12,80 €; ISBN 978-3-89965-449-3
Mit Blick auf die Wirtschafts- und Finanzkrise hat in jüngster Zeit selbst Frank Schirrmacher, Mitherausgeber der linker Anwandlungen weitgehend unverdächtigen Frankfurter Allgemeinen Zeitung, öffentlich philosophiert, ob die Linke mit ihrer beharrlichen Kritik am Gegenwartskapitalismus nicht letzten Endes vielleicht doch Recht habe. Eine wieder erstarkte Hinwendung zu linker Philosophie (obwohl nicht zwangsläufig auch Politik!) ist in den vergangenen Jahren nicht zuletzt durch die erneut boomenden Kapital-Lektürekurse an deutschen Unis zu beobachten. Jenseits der Debatte, ob die linke Bewegung zahlreiche Probleme des gegenwärtigen Kapitalismus mit ihrer Kritik partiell vorausgesehen hat, wird doch gleichzeitig deutlich, dass konsistente Gegenentwürfe eher Mangelware sind – schließlich wurde das auch lange Zeit von keiner linken Partei mehr gefordert. Zelik widmet sich der Frage nach potenziellen linken Zukunftsprojekten, die sowohl eine gesellschaftliche Perspektive aufweisen als auch bemüht sind, die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen. Allzu lange schließlich hat die Linke darunter gelitten, dass auch sie – Stichwort Osteuropa – nicht gegen die Versuchung der Macht gefeit war. Hier setzt der Autor an und diskutiert die Möglichkeit, linke Perspektiven nicht in erster Linie „aus utopischen Blaupausen“ (14) abzuleiten, sondern vor allem aus der Differenz – im Sinne de Saussures: „Der Sozialismus ist, was er nicht ist“ (13). Aus der Kritik von Realsozialismus und lateinamerikanischen Linksregierungen heraus diskutiert Zelik gegenwärtige und vergangene emanzipatorische Debattenbeiträge und fragt, was der „Communismus“ sein kann. Das „C“ in Communismus weist dabei den Weg – ebenso wie der Begriff der Perspektiven im Untertitel des Buches: Es kann nicht darum gehen, ein in sich geschlossenes alternatives politökonomisches Modell zu entwickeln, wie es der Kommunismus lange postuliert hat. Veränderung muss emanzipatorisch sein und Alternativen bereithalten – und kann doch zugleich nur aus dem entstehen, was in der Gegenwart bereits im Kern vorhanden ist. Eine andere Zukunft entwickelt sich demnach aus dem Zusammenspiel vieler kleiner emanzipatorischer Praktiken auf individueller wie kollektiver Ebene, ihre konkrete Gestalt kann deshalb niemals vorausgesehen werden.
Björn Wagner (BW)
Dipl.-Politologe, Doktorand und Lehrbeauftragter, Universität Jena.
Rubrizierung: 2.2 | 2.22 | 2.65 | 5.42 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Raul Zelik: Nach dem Kapitalismus? Hamburg: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/33913-nach-dem-kapitalismus_40642, veröffentlicht am 01.12.2011. Buch-Nr.: 40642 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken