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Roland Verwiebe (Hrsg.)

Armut in Österreich. Bestandsaufnahme, Trends, Risikogruppen

Wien: Wilhelm Braumüller 2011 (Sociologica 15); 368 S.; 28,90 €; ISBN 978-3-7003-1761-6
Vor dem Hintergrund der sogenannten Entgrenzung sozialer Probleme ist Armut nicht mehr nur ein Problem am unteren Rand der Gesellschaft. So sieht sich auch der österreichische Wohlfahrtsstaat mit neuen sozialen oder armutsbezogenen Entwicklungen konfrontiert, die bisher von der Forschung eher schwach ausgeleuchtet sind. Emmerich Tálos und Martin Kronauer verorten in ihrem Beitrag die „Achillesferse“ von Sozialstaaten an der Verbindungsstelle von „marktvermittelnder Erwerbsarbeit und wohlfahrtsstaatlich vermittelten, sozialen Bürgerrechten“ (24). Da es jedoch kein Recht auf Arbeit geben könne und Sozialleistungen von der Höhe der Erwerbsbeteiligung abhingen, sei mit den jüngeren Umbrüchen auf dem Arbeitsmarkt die „‚neue soziale Frage’“ entstanden. Als „besonders problematisch“ (25) bezeichnen die Autoren Arrangements, die soziale Rechte eng an Erwerbsarbeit binden. Dadurch sei der „österreichische Sozialstaat nicht armutsfest“ (35). Beispielsweise sei ein großer Teil von Frauen in Ermangelung von Erwerbstätigkeit aus der Pensionsversicherung ausgegrenzt. 2003 sei davon noch jede dritte Frau über 60 Jahren betroffen gewesen. Zudem stellen sie heraus, dass Armut in Österreich trotz sozialstaatlicher Leistungen bestehen kann. So gewährte die Sozialversicherung 2008 im Bedarfsfall einen Satz, der deutlich unter der nach der Sozialberichterstattung für Europa (EU-SILC) für Österreich angegebenen Armutsgefährdungsschwelle lag. Entsprechend schließen die Autoren, dass die Erwerbsarbeitsbezogenheit des Systems dringend überwunden werden müsse. Roland Verwiebe und Nina-Sophie Fritsch untersuchen in ihrem Beitrag, ob das Normalarbeitsverhältnis in Österreich seinen armutsverhindernden Charakter verliert. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass „Erwerbsarbeit für einen gewichtigen Teil der Arbeitnehmer keinen ausreichenden Schutz vor Armut mehr bietet“ (162). Anhand der Analyse von Bruttolöhnen stellen sie fest, dass mehr als 13 Prozent der unselbstständig Beschäftigten kein Einkommen oberhalb der Armutsgefährdungsgrenze erreichen. Dies gelte insbesondere für Beschäftigte der Landwirtschaft, im Bereich personenbezogener Dienstleistungen und in Kleinbetrieben.
Sabine Steppat (STE)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.4 | 2.262 | 2.23 Empfohlene Zitierweise: Sabine Steppat, Rezension zu: Roland Verwiebe (Hrsg.): Armut in Österreich. Wien: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/33971-armut-in-oesterreich_40714, veröffentlicht am 03.05.2012. Buch-Nr.: 40714 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken