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Barbara Blaha / Jakob Kapeller / Josef Weidenholzer (Hrsg.)

Solidarität. Beiträge für eine gerechte Gesellschaft

Wien: Wilhelm Braumüller 2011 (Positionen 3); XIV, 222 S.; 24,90 €; ISBN 978-3-7003-1778-4
Der Sammelband nähert sich in theoretischer, empirischer und praktischer Hinsicht dem Thema Solidarität. Dabei scheint der Begriff relativ einfach zu bestimmen zu sein: „Allgemein formuliert bezeichnet Solidarität ein Prinzip, das gegen die Vereinzelung des Individuums gerichtet ist und die Zusammengehörigkeit, d. h. die gegenseitige (Mit-)Verantwortung und (Mit-)Verpflichtung, in den Mittelpunkt stellt.“ (VII). Schaut man dann jedoch etwas genauer hin – und dieses genauere Hinsehen leisten die Autoren in den einzelnen Beiträgen auf jeweils eigene, jedoch durchweg überzeugende Art und Weise, angefangen bei demokratietheoretischen Überlegungen, über Fragen der Generationengerechtigkeit, der Gewerkschaftsbewegungen bis hin zum Thema Ehrenamt – dann wird aus einem eigentlich doch recht klaren Begriff ein merkwürdig diffuses und vor allem umstrittenes Konzept. Inwieweit Solidarität heute, also im Zeitalter eines global hegemonialen Neoliberalismus, gar schon zu einem Kampfbegriff im öffentlichen Diskurs geworden ist, zeigt Barbara Kapeller in ihrem Beitrag. Mit Blick auf die Berichterstattung in deutschsprachigen Qualitätszeitungen (hier der FAZ) deckt sie auf, wie es einzelnen Journalistinnen und Journalisten gelingt, durch langjährige Meinungsmache antisolidarische Positionen zu stärken: „Trotz der Krise liberaler Ideologie zu Beginn des letzten Jahrhunderts haben sich neoliberale Strömungen heute konsequent durchgesetzt und in den letzten Jahren massiv an Einfluss im alltäglichen und im wissenschaftlichen Diskurs gewonnen.“ (183) Am Beispiel einer detaillierten Auswertung mehrerer Artikel von Karen Horn – die als Mitglied der von Friedrich August von Hayek gegründeten Mont Pèlerin Society eine hohe inhaltliche Affinität zu neoliberalen Positionen im Sinne Hayeks, Friedmans oder Stiglers vertritt – kann Kapeller nachweisen, wie gezielt neoliberale Theoreme in die Berichterstattung zu nahezu beliebigen Themengebieten einfließen. Das Beharrungsvermögen dieser neoliberalen Propaganda, die bei Horn in erster Linie auf die „individuelle Freiheit des Menschen“ (185) fokussiert ist, darüber hinaus aber auch die freie Marktwirtschaft und weitgehende Deregulierung beinhaltet, macht deutlich, wie wenig selbstverständlich es heute überhaupt noch ist, von Solidarität zu sprechen – geschweige denn, sie einzufordern. Der von den Herausgebern eingangs formulierte Wunsch, Solidarität möge künftig „in der Gesellschaft eine gewichtigere Rolle“ (XIII) spielen, erscheint angesichts des Beitrages von Kapeller als – leider – etwas unbeholfen, um nicht zu sagen naiv. Der Kampf um die Deutungsmacht wird angesichts der Gegnerschaft neoliberaler (Presse-)Akteure und Inhalte nicht leicht zu gewinnen sein – kampflos schon gleich gar nicht. Das aber schmälert nicht die Wichtigkeit dieses auch im außeruniversitären Bereich gut lesbaren Bandes.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.4 | 2.22 | 2.23 | 4.45 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Barbara Blaha / Jakob Kapeller / Josef Weidenholzer (Hrsg.): Solidarität. Wien: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/33973-solidaritaet_40716, veröffentlicht am 13.12.2012. Buch-Nr.: 40716 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken