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Karlfriedrich Herb / Bernhard H. F. Taureck

Rousseau-Brevier. Schlüsseltexte und Erläuterungen

Paderborn: Wilhelm Fink Verlag 2012; 237 S.; 24,90 €; ISBN 978-3-7705-5250-4
Als eine wissenschaftliche Lektüre ist ein Brevier eine zweischneidige Angelegenheit: Einerseits führt es den Leser mit den Worten eines klassischen, aber kaum gelesenen Autors – warum nur? – in eine unbekannte Welt ein, soll ihn neugierig machen und zu intensiverem Lesen anregen. Andererseits gibt es nicht umsonst Einführungswerke, die einen heute vielleicht spröde wirkenden Text sprachlich aktualisieren. Herb und Taureck verbleiben jedenfalls nicht bei einer bloßen Textauswahl, sondern kommentieren ausführlich und mitunter unverständlicher, als der unvertraute Leser erwarteten dürfte, bekannte Stellen aus dem umfangreichen Fundus der gesammelten Werke Rousseaus. Grundsätzlich bleiben sie dabei der in vielen Werkbiografien zu findenden Gliederung aus Kulturkritik, Politik, Pädagogik und Autobiografie treu. In seiner Einleitung macht Taureck keinen Hehl aus seiner Verehrung für Rousseau, den er als kritischen Hermeneutiker politischer Herrschaft liest. Anders als seine Zeitgenossen sei sich Rousseau über die schwerwiegenden Folgen der Aufklärung, die Zerrüttung der Intersubjektivität, im Klaren gewesen und habe daher auch die Grenzen seiner eigenen (politischen) Philosophie erkannt. Dass die daraus folgende Paradoxie von Bürger und Mensch nicht auf einen Nenner zu bringen sei, stelle einen bekannten Topos der Rousseau-Forschung dar. Während Taureck diesen Widerspruch als zentrales Motiv der berechtigten (aber leider vergessenen) Zivilisationskritik Rousseaus deutet, sieht dies Mitherausgeber Herb skeptischer. Rousseau, dessen Widersprüche nicht nur als Geniestreich verstanden werden können, erscheint hier bei aller Modernität stärker als pessimistischer Antimodernist, den alle Revolutionäre gründlich missverstanden haben: „In Momenten größter Selbstzweifel lässt Rousseau sein pädagogisches und politisches Denken gleichermaßen Schiffbruch erleiden – und macht uns zu Zuschauern.“ (134)
Frank Schale (FS)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Professur für Politische Theorie und Ideengeschichte, Technische Universität Chemnitz.
Rubrizierung: 5.33 | 5.42 Empfohlene Zitierweise: Frank Schale, Rezension zu: Karlfriedrich Herb / Bernhard H. F. Taureck: Rousseau-Brevier. Paderborn: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34104-rousseau-brevier_40906, veröffentlicht am 07.02.2013. Buch-Nr.: 40906 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken