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Ingolfur Blühdorn

Simulative Demokratie. Neue Politik nach der postdemokratischen Wende

Berlin: Suhrkamp 2013 (edition suhrkamp 2634); 304 S.; 20,- €; ISBN 978-3-518-12634-9
Klagegesänge über die mangelnde Zukunftsfähigkeit der Demokratie oder das ihr fehlende Vermögen, die eigenen normativen Grundwerte fortdauernd zu erzeugen, sind nicht neu. Die negativen Zukunftsprognosen für die Demokratien des Westens reißen damit nicht ab – obgleich die Entsubstanzialisierung der Parlamente oder die Entpolitisierung der Bürger bei steigender ökonomischer Ungleichheit, die mit dem Begriff der Postdemokratie beschrieben werden, mit neuen partizipativen Chancen beantwortet werden. Auch soll aktuell die Kluft zwischen Bürgern und Politik mit neuen Formen des Blockierens, Demonstrierens und Diskutierens überwunden werden. Mit dem Topos der „simulativen Demokratie“ aber weist Ingolfur Blühdorn zunächst genau jene Forderungen zurück, die Demokratie mit mehr politischer Beteiligung oder mehr direkter demokratischer Aktion zu retten. Solche Ideen beruhten auf vormodernen Grundlagen, die nach dem „postmaterialistischen Wertewandel“ (45) im Zeitalter der dritten Moderne nicht mehr gelten würden. Endgültig verloren seien das Kant‘sche Vernunftsubjekt, das soziale, politische Individuum nach Aristoteles oder Hannah Arendts im Sinn der Freiheit handelnde Mensch. Auch der Gedanke einer nachhaltigen Ökologie sei nach der postdemokratischen Wende in Richtung eines vollendeten Individualismus ohne gemeinschaftliche Verantwortung verschwunden. Politische Teilhabe werde im steuernden Staat nun durch eine simulative Partizipation ersetzt. Diese sei „die Produktion und Reproduktion von Diskursen, Narrativen und gesellschaftlichen Selbstbeschreibungen“ alter Normen, sie „schafft Erlebnis‑ und Handlungsräume“ (178) für Ideen der Partizipation, ohne sie dem Individuum verpflichtend aufzubürden. Auch wenn Blühdorn seine Analyse einer postdemokratischen Wende und der einfachen Simulation von Demokratie nicht offen mit einer Handlungsanweisung zur Veränderung verknüpft, sondern sich im Habitus der „soziologischen Aufklärung“ (280) gefällt, lebt in seinem Abgesang auf die ursprüngliche Idee der Demokratie jene doch unverändert fort.
Ellen Thümmler (ET)
Dr., Politikwissenschaftlerin, wiss. Mitarbeiterin, Institut für Politikwissenschaft, Technische Universität Chemnitz.
Rubrizierung: 2.2 | 2.22 | 5.41 Empfohlene Zitierweise: Ellen Thümmler, Rezension zu: Ingolfur Blühdorn: Simulative Demokratie. Berlin: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34236-simulative-demokratie_41089, veröffentlicht am 13.06.2013. Buch-Nr.: 41089 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken