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Andreas Dietz

Das Primat der Politik in kaiserlicher Armee, Reichswehr, Wehrmacht und Bundeswehr. Rechtliche Sicherungen der Entscheidungsgewalt über Krieg und Frieden zwischen Politik und Militär

Tübingen: Mohr Siebeck 2011 (Jus Publicum 210); XXVII, 780 S.; LN., 124,- €; ISBN 978-3-16-150865-3
Habilitationsschrift; Begutachtung: R. M. Stettner, I. Appel, C. Veddel. – Stellt das Primat der Politik über das Militär ein Kontinuum deutscher Staatsordnung dar? Andreas Dietz hat sich für einen normativen Titel seiner gut lesbaren Habilitationsschrift entschieden. Die Antwort gibt er etwas versteckt: Nein, die Armee agierte bis 1945 eigen- oder gar übermächtig. Soziologische Gründe dafür sind unorthodox etwa mit Elias Canetti und Carl Zuckmayer belegt. Gewaltexzesse, gipfelnd in Hitlers nach Osten gerichteten Vernichtungskrieg, stehen für fehlende Wirksamkeit von Rechtsregeln. Beispiele sind der unbeschränkte U-Boot-Krieg 1917 unter Ludendorffs informeller Diktatur und die Erschießung von Partisanen durch die Wehrmacht. Die rechtliche Zäsur des Jahres 1945 bleibt unerörtert. Wer nun als Hauptthese erwartet, in der bundesrepublikanischen Wehrverfassung mit der scharfen Waffe des Parlamentsvorbehalts einen staatsrechtlich gesicherten Gegenentwurf zu haben, irrt. Vielmehr sei das Primat der Politik bis heute in Auslandseinsätzen der Bundeswehr nicht hinreichend umgesetzt – Defizite betreffen Dietz zufolge den unpräzisen Einsatzauftrag und die laxe Handhabung von Artikel 59 Abs. 2 GG. Den Frieden zu wahren, hieße demnach, über Einsätze trotz aller Bündnisverpflichtungen restriktiver zu entscheiden. Eine Delegierung von Entscheidungen aus dem Bundestagsplenum regt Dietz im Vorschlag zur Änderung des Parlamentsbeteiligungsgesetzes an. Ein juristisch denkbares Plenum nur bei Einsätzen abseits gebilligter Einsatzräume (etwa des KSK) erscheint aber politisch undurchführbar, auch müssen Völkerrecht und das Prinzip „Recht folgt Fahne“ (653) in Einklang stehen, damit die Rechtsposition von Soldaten im Kampfeinsatz sicher ist. Subordination, Legitimation, Integration der Bundeswehr sind gewährleistet – wie Dietz’ Gewährsmann Graf Baudissin es sich in „Soldat für den Frieden“ wünschte. Anders als etwa die Autoren in dem Band „Militär und Politik“ (siehe Buch-Nr. 41065) betont Dietz den disziplinierenden und international anerkannten Wertmaßstab der Inneren Führung. Die vermisste nationale Sicherheitsstrategie finden wir einstweilen in den „Verteidigungspolitischen Richtlinien“ vom 18. Mai 2011.
Sebastian Liebold (LIE)
Dr., Politologe und Zeithistoriker, wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Technische Universität Chemnitz.
Rubrizierung: 2.3 | 2.311 | 2.312 | 2.313 | 2.315 | 2.32 | 2.325 | 4.1 | 4.21 Empfohlene Zitierweise: Sebastian Liebold, Rezension zu: Andreas Dietz: Das Primat der Politik in kaiserlicher Armee, Reichswehr, Wehrmacht und Bundeswehr. Tübingen: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34395-das-primat-der-politik-in-kaiserlicher-armee-reichswehr-wehrmacht-und-bundeswehr_41304, veröffentlicht am 01.03.2012. Buch-Nr.: 41304 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken