Armutsbekämpfung in den mittel- und osteuropäischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union
Sozialwiss. Diss. Osnabrück; Begutachtung: K. Busch, W. Platzer. – Die Autorin untersucht die Europäisierung der Armutsbekämpfung in Estland, Polen, Tschechien und Ungarn. Die Schwerpunkte liegen dabei zum einen auf der Übernahme der verbindlichen EU-Vorgaben im Rahmen des Beitrittsprozesses, zum anderen auf der Umsetzung von EU-Politiken im Rahmen der Offenen Methode der Koordinierung (OMK). Im Ergebnis zeigt sich, dass die EU teilweise zwar finanzielle und inhaltliche Unterstützung gewährte und sich das Profil der Politik der Armutsbekämpfung in den Beitrittsländern schärfte. Jedoch bleibt ungewiss – und dies könnte nicht nur für die Osteuropaforschung, sondern darüber hinaus auch für die Europäisierungsdebatte von Interesse sein –, ob eine solche Profilschärfung wegen oder trotz des EU-Einflusses stattfand. Am Beispiel der Armutsbekämpfung lassen sich gut die Grenzen eines „one size fits all“-Ansatzes aufzeigen: Operiert die EU mit einem neoliberal und auf die westeuropäischen Gesellschaften zugeschnittenen Ansatz, steht dies oftmals im Gegensatz zu den Realitäten in den neuen Mitgliedstaaten. Problematisch ist bereits die Definition von Armut: Auf Grundlage einer Berechnung in Relation zum Durchschnittseinkommen (im Unterschied etwa zu einer Berechnung in Relation zum Konsum) haben zwar auch in Osteuropa die Armutsquoten in den vergangenen Jahren teilweise abgenommen; die ohnehin niedrigen Durchschnittseinkommen in den Beitrittsländern bedeuten allerdings, dass die tatsächlichen Armutsquoten oftmals viel höher liegen. Ein nicht unwesentlicher Teil von Armut wird somit durch EU-Statistiken und -Politiken ignoriert. Zugleich stehen die von der EU propagierten Ziele zur Armutsbekämpfung oftmals in Konflikt mit anderen, höher bewerten EU-Zielen (insbesondere Konvergenzkriterien und Haushaltskonsolidierung). Vor diesem Hintergrund ist es wenig überraschend, dass die untersuchten Länder zumindest in den Bereichen, in denen Spielräume vorhanden sind, diese auch ausnutzen und Zielvorgaben an nationale Gegebenheiten anpassen.