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Irene Dingel / Christiane Tietz (Hrsg.)

Kirche und Staat in Deutschland, Frankreich und den USA. Geschichte und Gegenwart einer spannungsreichen Beziehung. XIV. Dietrich-Bonhoeffer-Vorlesung 2010 in Mainz

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2012 (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz. Beiheft 89); 175 S.; 44,99 €; ISBN 978-3-525-10111-7
Drei Modelle der Ausgestaltung des Verhältnisses von Kirche und Staat werden sowohl historisch wie systematisch vorgestellt. Zunächst wird die Trennung von Kirche und Staat in den USA analysiert. Der Beitrag von Robin W. Lovin ist besonders instruktiv, weil er die These profiliert, dass „der Konflikt zwischen Reformatoren und Täufern aus dem 16. Jahrhundert […] eine dauernde Heimat in der amerikanischen Politik gefunden hat“ (52). Demzufolge existiere eine sektiererische Seele mit großen Vorbehalten gegenüber der Politik, zugleich aber auch eine kirchliche Seele, die sich für die Umsetzung religiöser Werte mithilfe der Politik engagiere. Es folgen zwei Beiträge zum Laizismus in Frankreich, dessen antiklerikale Tendenz durch zahlreiche weitere Gesetzesbestimmungen abgeschwächt worden sei, sodass dieses Modell zwar nicht für ganz Europa tauge, in Frankreich hingegen weitgehend anerkannt sei. Dem deutschen Modell einer weltanschaulichen Neutralität des Staates mit wohlwollender Akzeptanz kirchlicher Präsenz in der Gesellschaft sind vier Beiträge gewidmet. Die verfassungsrechtliche Analyse von Hans Michael Heinig ist hervorzuheben. Er stellt sehr klar aktuelle Herausforderungen (Entkirchlichung, Europäisierung, Nebenwirkungen politischer Entscheidungen vor allem in der Steuerpolitik und die Präsenz des Islams) vor und beschreibt mögliche Reaktionen: Diskutiert werden eine Laizisierung, um die überholten Privilegien der großen christlichen Kirchen abzubauen, eine Hierarchisierung der Religionen, um die christliche Prägung auf Dauer zu stellen, und schließlich die von ihm favorisierte Etablierung eines Religionsverfassungsrechts, das nicht mehr die Kirchen, wohl aber die Religionsfreiheit ins Zentrum rückt. Der explizite Bezug zu Dietrich Bonhoeffer wird durch den Eingangsbeitrag von Heinrich Bedford‑Strohm hergestellt.
Volker Stümke (VS)
Dr., evangelischer Theologe, Priv.-Doz. für evangelische Sozialethik, Führungsakademie der Bundeswehr Hamburg.
Rubrizierung: 2.23 | 2.35 | 2.61 | 2.64 Empfohlene Zitierweise: Volker Stümke, Rezension zu: Irene Dingel / Christiane Tietz (Hrsg.): Kirche und Staat in Deutschland, Frankreich und den USA. Göttingen: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34942-kirche-und-staat-in-deutschland-frankreich-und-den-usa_42020, veröffentlicht am 25.10.2012. Buch-Nr.: 42020 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken