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Marcus Hawel / Moritz Blanke (Hrsg.)

Kritische Theorie der Krise

Berlin: Dietz Verlag 2012 (Rosa-Luxemburg-Stiftung. Texte 72); 172 S.; 14,90 €; ISBN 978-3-320-02277-8
Der Sammelband vereint die überarbeiteten Beiträge des Symposiums zur „Kritischen Theorie der Krise“, das im April 2010 in Frankfurt am Main stattgefunden hat. Die Autoren und Herausgeber sind fast ausnahmslos Mitarbeiter der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Sie widmen sich der übergeordneten Frage, welchen Krisenbegriff die verschiedenen Vertreter der kritischen Theorie ihren jeweiligen Überlegungen zugrunde gelegt haben. In dieser Hinsicht interessant ist vor allem der Beitrag von Marcus Hawel, da er die Entstehungsgeschichte der kritischen Theorie mit ihren Ursprüngen bei Marx und Hegel bis hin zu Horkheimer und der Frankfurter Schule um Habermas überzeugend nachzeichnet. Indem Hawel die „Säulen der kritischen Theorie“ herausarbeitet, verdeutlicht er, dass die verschiedenen Strömungen und Ansätze der Theorie „durch das eine Nadelöhr“ gehen: „durch Marx hindurch“ (17). Drei historische Ereignisse bildeten dabei die Grundlage aller Reflexionen: „das Scheitern der Arbeiterbewegung und der proletarischen Weltrevolution von 1917/18“ (21), die sich daran anschließende Krise des Marxismus sowie die Krise des Kapitalismus in den ausgehenden 1920er- und 1930er-Jahren. Gut nachvollziehbar beschreibt Hawel in diesem Zusammenhang, wie die marxistische Theorie für Lenin und Stalin zu einem Mittel wurde, „um politische Ziele zu verfolgen“ (31). Spannend zu lesen sind auch seine Ausführungen zu den „Verschiebungen“ (37), die sich in der kritischen Theorie ab den 1930er-Jahren vollzogen. So kam es zu einer Inkorporierung der Psychoanalyse, einer „Entteleologisierung der Geschichte“ (38) und – durch die Veröffentlichung der „Dialektik der Aufklärung“ als Reflex auf die Nazi-Diktatur – einer Verkehrung des Geschichtsbegriffs zum Negativen. Lesenswert ist auch der Aufsatz von Lutz Brangsch, der dem Phänomen der ökonomischen Krise und ihrer Ursachen in verschiedenen Theorieansätzen seit David Ricardo nachspürt. Mit der Darstellung der Überlegungen von Jean-Charles-Léonard de Sismondi und Charles Fourier verweist er dabei zugleich auf Wegbereiter von Marx. Die weiteren Aufsätze beschäftigen sich zum Teil mit sehr speziellen Aspekten der kritischen Theorie und ihren unterschiedlichen Anwendungsfeldern und -möglichkeiten. Der Beitrag von Annette Ohme-Reinicke und Michael Weingarten liefert allerdings auch noch einmal wichtige Bausteine zum Verständnis der kritischen Theorie, die auch für Leser hilfreich sind, die nicht in der Weise mit der Materie vertraut sind. Dies trifft z. B. auf den „Kritikbegriff“ (98) und den Hinweis auf den engen Konnex „von theoretischer Konzeptualisierung, Zeitdiagnose und empirischer Forschung“ (97) zu, der prägend für die kritische Theorie war.
Henrik Scheller (HS)
Dr. phil., Dipl.-Politologe, wiss. Mitarbeiter, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Lehrstuhl Politik und Regieren in Deutschland und Europa, Universität Potsdam.
Rubrizierung: 5.42 Empfohlene Zitierweise: Henrik Scheller, Rezension zu: Marcus Hawel / Moritz Blanke (Hrsg.): Kritische Theorie der Krise Berlin: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/34952-kritische-theorie-der-krise_42035, veröffentlicht am 03.01.2013. Buch-Nr.: 42035 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken