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Thomas Schölderle

Geschichte der Utopie. Eine Einführung

Köln/Weimar/Wien: Böhlau Verlag 2012 (Uni-Taschenbücher 3625); 202 S.; 15,99 €; ISBN 978-3-8252-3625-0
Thomas Morus hatte wohl kaum ahnen können, dass die Kritik an der englischen Gesellschaft, die er in seinem 1516 veröffentlichen Roman „Utopia” übte, einem geistesgeschichtlichen Genre seinen Namen verleihen sollte. Hatte es erste utopische – oder besser: mythische – Denkansätze bereits in der Antike mit der Vorstellung von einem (vergangenen) Goldenen Zeitalter gegeben, hat das Werk von Morus zahlreiche Sprachen um eine Vokabel erweitert, mit der einerseits plakativ die Nichterfüllbarkeit politischer Idealvorstellungen assoziiert wird, die aber andererseits zugleich eine innere Polarität aufweist, die den wissenschaftlichen Diskurs vor Herausforderungen stellt. Der Autor beginnt daher auch mit einer Begriffsgeschichte, die schon im Falle des Morus’schen Werkes zu vieldeutigen Ergebnissen führt und – bedingt durch ein (möglicherweise bewusstes) Wort- und Vorsilbenspiel – eine Veränderung der Utopievorstellung vorwegnimmt, die gemeinhin erst an Louis-Sébastian Merciers „L’An 2440” aus dem Jahr 1771 festgemacht wird: nämlich die Verlagerung der utopischen Gesellschaft in eine fremde Zukunft und nicht mehr (nur) an einen fremden unbekannten Ort. Schölderles Exkurs durch das utopische Denken führt ihn von der Antike über das Mittelalter, die frühe Neuzeit und die Zeit des Absolutismus bis in die Gegenwart. In acht Kapiteln versammelt der Autor neben den Klassikern von Thomas Morus, Tommaso Campanella, George Orwell und Marge Piercy auch weniger bekannte Schriften wie Johann Valentin Andreaes „Christianopolis” oder Johann Gottfried Schnabels „Insel Felsenburg”, in denen sich letztlich die Kritikfunktion als eine Konstante des utopischen Denkens erweist. Bahnbrechend neue Erkenntnisse sind in Schölderles Band so zwar so wenig zu erwarten wie ein Anspruch auf Vollständigkeit, dafür verdichtet er aber den aktuellsten Stand der Forschung in einer kompakten Form, die sich für interessierte Studierende als ideale Einführung in die Thematik erweist. Als weiterführende Lektüre sei auf „Utopia und Utopie” (siehe Buch-Nr. 40560), die Dissertation des Autors, verwiesen.
Michael Vollmer (MV)
M. A., Politikwissenschaftler, wiss. Mitarbeiter, Professur für Politische Theorie und Ideengeschichte, TU Chemnitz.
Rubrizierung: 5.1 Empfohlene Zitierweise: Michael Vollmer, Rezension zu: Thomas Schölderle: Geschichte der Utopie. Köln/Weimar/Wien: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35014-geschichte-der-utopie_42129, veröffentlicht am 19.07.2012. Buch-Nr.: 42129 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken