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Kay Schiller / Christopher Young

München 1972. Olympische Spiele im Zeichen des modernen Deutschland. Aus dem Englischen von Sonja Hogl

Göttingen: Wallstein Verlag 2012; 397 S.; geb., 29,90 €; ISBN 978-3-8353-1010-0
Die Olympischen Spiele 1972 boten Deutschland eine nahezu einzigartige Möglichkeit, sich der Weltöffentlichkeit als ein modernes, demokratisches und westlich orientiertes Land zu präsentieren. Trotz der großen Bemühungen der Städte München und Kiel, der erstmaligen Teilnahme der DDR (und also ihrer Anerkennung als eigenständiger Staat) und der tatsächlichen organisatorischen und sportlichen Erfolge ist jedoch vorrangig die Entführung und Ermordung der israelischen Athleten im kollektiven Gedächtnis geblieben. Gerade wegen dieser einseitigen Erinnerung ist es das Ziel der beiden Autoren, die Bedeutung der Olympischen Spiele für die Bundesrepublik durch umfassende Archivrecherchen zu untersuchen und eine ungekürzte und ganzheitliche Geschichte der Olympischen Spiele in München (und Kiel als Austragungsort der Segelwettbewerbe) zu schreiben. Deshalb beziehen die Autoren nicht nur sportliche Aspekte, sondern vor allem auch den Wandel des sozialen und politischen Klimas in der Bundesrepublik während der 1960er-Jahre, den Einfluss einer Gruppe von Individuen auf das olympische Projekt (vor allem von Willi Daume, Sportfunktionär, und Hans-Jochen Vogel, Münchner Oberbürgermeister) sowie die Eigenheiten und Ziele des IOC mit ein. Das Ergebnis dieses Projektes ist eine beeindruckende und kurzweilig erzählte Darstellung des technisch-futuristischen Zeitgeistes, der organisatorischen Leistungen bei der Vorbereitung und Ausführung des sportlichen Großereignisses, des sozial-identitären Findungsprozesses in Zeiten von Studentenprotesten, Notstandsgesetzen und der neuen Ostpolitik und nicht zuletzt der Politisierung vermeintlich unpolitischer Spiele. Mit ihrem Buch legen die beiden Historiker deshalb nicht nur eine exzellent recherchierte Sportgeschichte, sondern auch eine politische und soziale Geschichte Westdeutschlands vor.
Ines Weber (IW)
M. A., Politikwissenschaftlerin (Kommunikationswissenschaftlerin, Psychologin), wiss. Mitarbeiterin, Institut für Sozialwissenschaften, Christian-Albrechts-Universität Kiel.
Rubrizierung: 2.313 | 2.35 | 2.343 | 2.37 | 4.1 | 4.21 | 2.25 | 2.63 Empfohlene Zitierweise: Ines Weber, Rezension zu: Kay Schiller / Christopher Young: München 1972. Göttingen: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35082-muenchen-1972_42224, veröffentlicht am 28.06.2012. Buch-Nr.: 42224 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken