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Heiko Heinisch / Nina Scholz

Europa, Menschenrechte und Islam – ein Kulturkampf?

Wien: Passagen Verlag 2012; 350 S.; 22,64 €; ISBN 978-3-7092-0016-2
Man kann den Autoren dieses Werkes nur in ihrer Diagnose zustimmen, dass auf „die Probleme und Herausforderungen, die Einwanderung aus islamischen Ländern mit sich gebracht hat, [...] Politik und Gesellschaft bislang keine angemessene Antwort gefunden“ (12) haben. Beleuchtet werden zahlreiche, im Zusammenhang mit dem Islam entstehende Konflikte aus einer Perspektive, bei der die Menschenrechte in den Mittelpunkt der Bewertungen und Lösungsvorschläge stehen. Heinisch und Scholz verstehen diese Menschenrechte als reine Individualrechte, wodurch sich für sie die Probleme im Umgang mit dem Islam vor allem zu einem Konflikt zwischen Individualismus, den das Autorenduo vertritt, und einem Kollektivismus, der das Individuum unterdrücke und von vielen islamischen Gläubigen vertreten werde, entwickelt. Mit diesem gedanklichen Fundament, das manchmal wenig Sensibilität für Ambiguitäten im Hinblick auf die Menschenrechte und für Spannungen zwischen inkompatiblen Werten erkennen lässt, greifen Heinisch und Scholz einige zentrale Begriffe und Ereignisse im Zusammenhang mit dem Islam in Europa heraus und besprechen diese in sechzehn Kapiteln. So halten sie zum Beispiel den Begriff „Islamophobie“ (17) für untauglich, weil er die Differenz zwischen Islamkritik und Muslimfeindschaft nicht wahrzunehmen vermag. Im Kapitel „Multikulturalismus“ (29) zeichnen sie ein etwas einseitiges Bild dieser Auffassung als einer Ideologie, die sie zum einen als antiindividualistisch betrachten. Zum anderen verstricke sie sich nicht nur aufgrund ihrer kulturrelativistischen Prämissen in Selbstwidersprüche, sondern darüber hinaus beraube sie sich jeglicher Möglichkeit einer Kritik gegenüber kulturellen Praktiken und ignoriere so deren Opfer. Alternativ dazu vertritt das Autorenduo einen Pluralismus, der „dem Einzelnen durch Anerkennung verbindlicher Werte wie säkulare Demokratie und Menschenrechte die Verwirklichung der unterschiedlichsten Interessen und Lebensstile und größtmögliche Freiheit“ (43) garantiere. In diesem Sinne verteidigen sie die Meinungsfreiheit und lehnen ein Bilder- und ein Kopftuchverbot ab, wohingegen sie ein Burkaverbot für legitim halten. Das Verdienst der Autoren ist darin zu sehen, noch einmal wesentliche Konfliktlinien und einige problematische Ideen innerhalb des islamischen Glaubens aufzuzeigen. Dass einzelne präsentierte Aspekte dabei sicherlich diskussionswürdig sind und zum Widerspruch anregen, liegt geradezu in der Natur der Sache. Kritisch zu bewerten ist daher vor allem, dass sie ihrem Anspruch, Pauschalisierungen zu vermeiden, nicht immer gerecht werden.
Jan Achim Richter (JAR)
Dipl.-Politologe, Doktorand, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.23 | 4.42 | 2.61 Empfohlene Zitierweise: Jan Achim Richter, Rezension zu: Heiko Heinisch / Nina Scholz: Europa, Menschenrechte und Islam – ein Kulturkampf? Wien: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35182-europa-menschenrechte-und-islam--ein-kulturkampf_42361, veröffentlicht am 01.11.2012. Buch-Nr.: 42361 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken