Erwachsene Nachbarschaft. Die deutsch-polnischen Beziehungen 1991 bis 2011
Die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Polen – historisch aufgrund der Verwerfungen des 20. Jahrhunderts stark belastet – haben sich seit 1990 „so vielfältig und intensiv wie nie zuvor“ (32) entwickelt. Ähnlich wie Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg nur über die Aussöhnung mit Frankreich in die (west-)europäischen Strukturen integriert werden konnte, war für Polen eine „Rückkehr nach Europa“ nur mit und über Deutschland möglich. Trotz der engen Partnerschaft existieren auch aufgrund der „Ungleichzeitigkeit der innergesellschaftlichen und außenpolitischen Diskurse“ (45) jedoch nach wie vor Spannungsfelder, wie Dieter Bingen, Direktor des Deutschen Polen-Instituts (DPI), herausarbeitet. Gerade bei historisch heiklen Themen seien sich gesellschaftliche und wissenschaftliche Akteure aber bereits weitgehend einig, im Gegensatz meist zu Politikern und der medialen Öffentlichkeit. Der Vermittlung der gemeinsamen Erfahrungen und Interessen kommt also eine große Rolle zu – denn „der größte Feind ist die Unwissenheit“ (Monika Sus, 425). Hier setzt der Sammelband als Bestandsaufnahme und Bilanzversuch an. Etwa 30 Aufsätze widmen sich Themen deutsch-polnischer Kooperation vor allem in den Bereichen Kunst, Kultur, Gesellschaft und Wissenschaft. Sie gehen zurück auf eine Tagung, die das DPI gemeinsam mit dem Willy-Brandt-Zentrum der Universität Wrocław im Oktober 2010 in Berlin veranstaltete. Sichtbar wird die Akzeptanz der gemeinsamen Vergangenheit und Zukunftsverantwortung etwa am Begriff des Kulturerbes, wie der kurz nach der Tagung verstorbene Kunsthistoriker Andrzej Tomaszewski ausführt. Viele besonders nach 1945 zunächst „heimatlose“ Denkmäler wie die Marienburg oder die Jahrhunderthalle in Wrocław seien in einen gemeinsamen europäischen Kanon integriert worden und zeigten, dass die verbindenden Elemente der Geschichte die trennenden überwiegen. Gerade die Kunst als transnationales Phänomen könne hier vor allem auf gesellschaftlicher Ebene zu einem weiteren Zusammenwachsen beitragen.