Skip to main content
Daniel Limberger

Polen und der "Prager Frühling" 1968. Reaktionen in Gesellschaft, Partei und Kirche

Frankfurt a. M. u. a.: Peter Lang 2012; 590 S.; geb., 89,80 €; ISBN 978-3-631-62259-9
Diss. Freiburg i. Br. – Die Chiffre „1968“ steht maßgeblich für die westeuropäische Studentenbewegung. Doch auch in den ostmitteleuropäischen Staaten ist das Jahr mit gesellschaftlichen Unruhen und Veränderungsprozessen verbunden, beispielsweise mit dem Prager Frühling. Das Vorgehen der anderen Ostblockstaaten gegen den „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ wurde bisher in der Hauptsache aus außenpolitischem und militärischem Blickwinkel untersucht. Limberger stellt dem die Innenperspektive gegenüber und untersucht die Reaktionen verschiedener gesellschaftlicher Gruppen in Polen. Im Mittelpunkt stehen vor allem die Parteibasis der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (Polska Zjednoczona Partia Robotnicza) und kirchliche Akteure. Der Autor untersucht Aufzeichnungen des Sicherheitsdienstes, staatliche Dokumente und Gesprächsprotokolle. Den Ausgangspunkt der Analyse bilden die Märzereignisse 1968 in Polen, in der Hauptsache studentische Unruhen in mehreren wichtigen Städten. Die folgenden massiven Repressionsmaßnahmen und medialen Kampagnen trugen für Limberger zu den dann eher verhaltenen Reaktionen auf den Prager Frühling bei. Erst der Einmarsch der Armeen der Warschauer Vertrags-Staaten am 21. August führte zu einer stärkeren Thematisierung, die allerdings bei den untersuchten Akteuren – gerade bei der Parteibasis – insgesamt eher zustimmend ausfiel; kritisiert wurde nur die Beteiligung der polnischen Armee. Als weitere Ursache der insgesamt aber eher ausbleibenden Kritik identifiziert der Autor einen lager- und schichtenübergreifenden antideutschen Komplex, denn im Prager Frühling wurde die Gefahr einer Annäherung der ČSSR und der Bundesrepublik gesehen. Bereits Anfang September ging die Thematisierung der Ereignisse wieder stark zurück. Die kirchliche Reaktion bestand hauptsächlich im Schweigen – ein Zeichen für das Arrangement mit der Staatsmacht –, wenngleich der Anteil kritischer Stimmen hier relativ gesehen höher war. Der moralische Überlegenheitsanspruch der kommunistischen Ideologie ging, so das Fazit des Autors, allerdings aufgrund der gewaltsamen Unterdrückung von Reformversuchen mehr und mehr verloren.
Martin Munke (MUN)
M. A., Europawissenschaftler (Historiker), wiss. Hilfskraft, Institut für Europäische Studien / Institut für Europäische Geschichte, Technische Universität Chemnitz.
Rubrizierung: 2.61 | 2.22 | 2.23 | 2.25 Empfohlene Zitierweise: Martin Munke, Rezension zu: Daniel Limberger: Polen und der "Prager Frühling" 1968. Frankfurt a. M. u. a.: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35299-polen-und-der-prager-fruehling-1968_42518, veröffentlicht am 02.08.2012. Buch-Nr.: 42518 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken