Die Herausgeber machen keinen Hehl aus ihrer kritischen Sicht auf die Prozesse wirtschaftlicher Entstaatlichung. Was daher auf den ersten Blick wie eine wirtschaftspolitische Kampfschrift sehr namhafter Zeithistoriker anmutet, ist aber tatsächlich ein informatives, unterhaltsames und analytisch messerscharfes Werk, das aus einem Symposium des Jena Center Geschichte des 20. Jahrhunderts hervorgegangen ist. Das Thema wird, wie Dietmar Süß einleitend darstellt, aus sieben sehr unterschiedlichen Perspektiven aufgegriffen, wozu auch gesellschaftliche Entwicklungen wie die Individualisierung und Pluralisierung der Lebensstile zählen. Dadurch wird der Begriff der Privatisierung erheblich erweitert und dennoch nicht verwässert. Auf diesem Wege erschließen sich Einblicke auf sehr unterschiedliche und auch voneinander zunächst einmal unabhängige Entwicklungen, die sich aber dennoch gut unter dem Schlagwort der Privatisierung zusammenfassen lassen. Der nicht gerade niedrige Anspruch, die „bisher begrifflich ja noch keineswegs präzise beschriebene Phase zwischen 1973/74 und den 1990er‑Jahren zu vermessen“ (13), wird somit erfüllt. Selbst der fast schon obligatorische internationale Vergleich stellt keine Pflichtübung dar, sondern macht auf Verbindungslinien und Differenzen aufmerksam. Die gesamte Herangehensweise führt dazu, dass sich sämtliche Beiträge an gängigen Thesen über die Ursachen und Folgen von Privatisierungsprozessen abarbeiten und diese einmal gründlich gegen den Strich bürsten. Was sich dadurch sehr erfrischend liest, leistet einen erheblichen Beitrag zur Dekonstruktion von Mythen, von Kampfbegriffen und Ideologien, ohne, und das ist entscheidend, dass dadurch der kritische Zugang verloren geht.