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Dorothee Weitbrecht

Aufbruch in die Dritte Welt. Der Internationalismus der Studentenbewegung von 1968 in der Bundesrepublik

Göttingen: V&R unipress 2012; 421 S.; 39,90 €; ISBN 978-3-89971-957-4
Diss. Eichstätt-Ingolstadt; Begutachtung: T. Fischer. – Weitbrecht fragt nach den Gründen für die Sensibilisierung der 68er-Bewegung gegenüber globaler Unterentwicklung – und zwar ganz unabhängig davon, ob diese in ökonomischem, sozialem oder politischem Gewand daherkommt: „Wie entstand eine Dynamik mit transnationalem Bezug, die junge Menschen zu einem Aufbruch in sozial polarisierte und politisch instabile Gesellschaften in der Dritten Welt trieb [...]?“ (12) Für den Zeitraum von Mitte der 1960er- bis weit in die 1970er-Jahre hinein rekonstruiert sie anhand verschiedener, deskriptiv aufgearbeiteter Fallbeispiele die Entstehungszusammenhänge und Begründungsstränge des „68er-Protestfeldes Neuer Internationalismus“ (355). Dieses habe in der Folge nämlich seinerseits die politischen Grundlagen für die später einsetzende Dritte-Welt-Bewegung – sei sie kirchlicher oder weltlicher Provenienz – in der Bundesrepublik gelegt. Im Rahmen ihrer Untersuchung macht Weitbrecht dabei deutlich, dass eine starke internationale Solidarisierung, noch dazu mit praktischen Konsequenzen, insbesondere dort auftritt, wo auch ein entsprechend stark ausgeprägter individueller Resonanzraum – sei er nun emotional oder sachlich angelegt – gegeben sei. Die „uneigennützige und freiwillige Solidaritätsidee“ (364) jedenfalls gründe auf mehr als auf einer bloßen Parallelität und dem distanzierten Erleben historischer Ereignisse, wie etwa dem Algerien- oder dem Vietnamkrieg. Neben dem persönlichen Besuch der betreffenden Länder und den dabei gewonnenen Eindrücken, so Weitbrechts Fazit, haben der charismatische Beitrag Rudi Dutschkes oder auch der – etwas allgemein formulierte – „moralisch-ethische Impetus und protestantische Einfluss“ (364) der (evangelischen) Kirchen dazu beigetragen, die nach 1968 beobachtbare internationale Mobilität sowie das damit zusammenhängende politische wie soziale Engagement einer ganzen Generation nachhaltig zu fördern.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.313 | 2.331 | 4.44 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Dorothee Weitbrecht: Aufbruch in die Dritte Welt. Göttingen: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35438-aufbruch-in-die-dritte-welt_42717, veröffentlicht am 27.09.2012. Buch-Nr.: 42717 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken