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Simone Weil

Über die Ursachen von Freiheit und gesellschaftlicher Unterdrückung. Aus dem Französischen von Thomas Laugstien

Zürich: diaphanes 2012; 122 S.; brosch., 14,90 €; ISBN 978-3-03734-236-7
Simone Weils 1934 niedergeschriebene Gedanken über Freiheit und Unterdrückung haben nichts von ihrer Aktualität verloren. Der Text der französischen Philosophin trägt den Charakter einer geistig-politischen Intervention, sie will Herrschafts- und Unterwerfungsverhältnisse zwischen Menschen historisch und allgemein als sich stetig verschärfendes Ungleichgewicht darstellen. Marxismuskritisch sieht sie deren Ursachen nicht im Verhältnis von Produktionsverhältnissen und Produktivkräften, sondern operiert mit dem Geist von Herrschaft und Macht, der alle zwischenmenschlichen Handlungen im Zusammenspiel von Mensch und Natur durchziehe. In beinahe Foucault’schem Sinne schreibt sie: „Will man die Macht als ein erklärbares Phänomen betrachten, dann muss man annehmen, dass sie ihre Grundlagen nur bis zu einem gewissen Punkt ausweiten kann […]. Sie kann aber nicht haltmachen, der Stachel der Rivalität zwingt sie dazu, […] die Grenzen zu überschreiten […]. Sie herrscht über das hinaus, was sie kontrollieren kann […].“ (55) Die Geschichte als Fortschrittsgeschichte gehe also einher mit einem Zustand der Knechtschaft und Unterdrückung, der das weitere Fortschreiten begleite. Wirkliche Freiheit sei aber eine lebendige Einheit von Denken und Handeln, der Mensch müsse in seinem Handeln diesen Gegensatz von Knechtschaft und Idee der Freiheit aushalten. Weil betont, der Mensch sei kein Spielball der Natur oder der Verhältnisse, sondern das Denken ermögliche ihm, die Fesseln der Macht zu erkennen und sich eine Vorstellung von individueller Freiheit zu machen. Ob der Machtträger nun der Faschismus, der totalitäre Staat, das Kapital oder die scheinbar übermächtige Idee des ökonomischen Wachstums im Prozess der Rationalisierung sei, Weil spürt eine Steigerung im Kampf um die Herrschaft hin zum Krieg. Allein das freie Denken könne die Fesseln erkennen und wisse sich von politischen oder ökonomischen Mythen loszusagen. Ihr Postulat scheint auch heute wirklich und unwirklich zugleich, setzt sie doch darauf, dass das Denken sich nicht zerstören lässt.
Ellen Thümmler (ET)
Dr., Politikwissenschaftlerin, wiss. Mitarbeiterin, Institut für Politikwissenschaft, Technische Universität Chemnitz.
Rubrizierung: 5.42 Empfohlene Zitierweise: Ellen Thümmler, Rezension zu: Simone Weil: Über die Ursachen von Freiheit und gesellschaftlicher Unterdrückung. Zürich: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35481-ueber-die-ursachen-von-freiheit-und-gesellschaftlicher-unterdrueckung_42783, veröffentlicht am 30.08.2012. Buch-Nr.: 42783 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken