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Christiane Reinecke / Thomas Mergel (Hrsg.)

Das Soziale ordnen. Sozialwissenschaften und gesellschaftliche Ungleichheit im 20. Jahrhundert

Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2012 (Eigene und Fremde Welten 27); 374 S.; kart., 39,90 €; ISBN 978-3-593-39787-0
Wenn man den Sozialwissenschaften die Funktion der gesellschaftsinternen Beobachtung sozialer Prozesse und Strukturen zubilligt, dann sind sie wohl stärker noch als viele andere Disziplinen mit der Aufgabe konfrontiert, ihre Analysen und Deutungen einem zumeist fachfremden Publikum zu präsentieren. Folgt man der mittlerweile breiten kulturwissenschaftlichen und wissenschaftshistorischen Diskussion, verbieten sich hier naive Annahmen, denen zufolge die Sozialwissenschaften bei der Vermittlung ihres Wissens lediglich vorhandene Realitäten beschreiben würden. Im Gegenteil – sozialwissenschaftliche Klassifikationen sind selbst schon Konstruktionen des Sozialen. Um bei den jeweiligen Adressaten anschlussfähig zu sein, setzen die Sozialwissenschaften Narrative, Semantiken oder Visualisierungen ein, die als Muster „für die Verständigung sozialer Gruppen über sich selbst“ (8) dienen. Das ist eine der zentralen Botschaften der Autorinnen und Autoren dieses außerordentlich anregenden Sammelbandes, der Fallstudien über sozialwissenschaftliche Expertenkulturen vom Ende des 19. bis zum späten 20. Jahrhundert enthält. Thematisch geht es um sozialwissenschaftliche Beobachtungen sozialer Differenz; freilich in einer weiten, die fließenden Übergänge zwischen sozialen Unterschieden und sozialer Ungleichheit berücksichtigenden Bedeutung. Es wird nicht nur gezeigt, dass sich – wissenschaftshistorisch gesehen – die Darstellung sozialer Ungleichheit von klassen‑ oder schichtbezogenen Strukturbildern bis zu mehrdimensionalen Beschreibungen sozialer Lagen anhand von Kategorien wie Gender, Ethnie oder Alter ausdifferenzierte. Die Autorinnen und Autoren machen zugleich deutlich, dass die dabei verwendeten Klassifizierungen – weil sie potenziell differenzverstärkend wirken – selbst zum Gegenstand politischer Konflikte werden. Der Band ist aus einem Workshop zum Thema „Zwischen wissenschaftlicher Expertise und politischem Diskurs: Wissensgeschichtliche Perspektiven auf die Konstruktion sozialer Ungleichheit“ entstanden, der von Christiane Reinecke und Thomas Mergel im Februar 2011 im Rahmen des SFB 640 „Repräsentationen sozialer Ordnungen im Wandel“ an der Humboldt‑Universität durchgeführt wurde.
Thomas Mirbach (MIR)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.2 | 2.2 | 2.22 | 2.64 | 2.61 | 2.35 | 2.331 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Christiane Reinecke / Thomas Mergel (Hrsg.): Das Soziale ordnen. Frankfurt a. M./New York: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35528-das-soziale-ordnen_42857, veröffentlicht am 16.05.2013. Buch-Nr.: 42857 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken