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Robert Lorenz

Der ÖGB. Zur Geschichte und Zukunft österreichischer Gewerkschaften

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2012; 487 S.; brosch., 79,- €; ISBN 978-3-8329-7758-0
Diss. Göttingen. – „Stärke führte beim ÖGB zu Schwäche“ (442), so lautet ein Ergebnis dieser umfangreichen Untersuchung der Nachkriegsgeschichte des Österreichischen Gewerkschaftsbundes. Zwischen 1950 und 1980 wuchs die Zahl der Mitglieder beständig, die österreichischen Gewerkschaften erreichten einen „überwältigenden“ Organisationsgrad von rund 60 Prozent. Von Beginn der Zweiten Republik an genoss der ÖGB eine Monopolstellung im Tarifwesen und aufgrund der Sozialpartnerschaft war sein Einfluss lange Zeit sozial‑ und wirtschaftspolitisch abgesichert. Nicht zuletzt die Freizeit‑ und Kulturangebote sorgten für eine hohe Zahl an Mitgliedern, die Rede war gar von einem „‚Gewerkschaftsstaat‘“. Doch im „Rausch des Erfolgs“ (435) habe der ÖGB, so Robert Lorenz, den gesellschaftlichen Mentalitäts‑ und den ökonomischen Strukturwandel verschlafen. Seit 1980 verlor er beinahe 400.000 Mitglieder – zunächst schleichend. Doch als die Mittel knapp wurden und die Gehälter der Funktionäre in den Gewerkschaftsstellen gefährdet waren, setzte ein Umdenkungsprozess ein. Als „die institutionelle Machstellung bröckelte, die Gewerkschaften ihre ehedem selbstverständliche Autorität verloren und ihr Plazet nicht mehr Voraussetzung für ein abgeschlossenes Gesetzgebungsverfahren war [...], besannen sie sich auf die Notwendigkeit, wieder Mitglieder zu rekrutieren, die verringerte Institutions‑ und Organisationsmacht aufzuwiegen“ (438), Der Orientierungswechsel vollzog sich langsam, doch es ist dem ÖGB gelungen, sich auf einem verringerten Niveau zu konsolidieren. Noch immer hat er deutlich über eine Million Mitglieder und auch weiterhin sind die Gewerkschaften in den Prozess politischer Entscheidungsfindung eingebunden. Zwar hat die Sozialpartnerschaft nicht mehr die Bedeutung, die sie bis in die 1980er‑Jahre hinein genoss, aber sie ist nach wie vor intakt, die österreichische „Konsensdemokratie“ (440) besteht unter veränderten Bedingungen fort, in der die Gewerkschaften noch immer ihren Platz haben. Aufgrund seiner Analyse gelangt der Autor zu dem Fazit, dass erfolgreiche Großorganisationen, die wie der ÖGB auf freiwilliger Mitgliedschaft beruhen, „wenig lernbereit“ sind und für die Bereitschaft zu einem Wandel „erst das Erlebnis umfassender, existenzbedrohlicher Krise“ (442) benötigen.
Sabine Steppat (STE)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.4 | 2.22 Empfohlene Zitierweise: Sabine Steppat, Rezension zu: Robert Lorenz: Der ÖGB. Baden-Baden: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35686-der-oegb_43094, veröffentlicht am 11.04.2013. Buch-Nr.: 43094 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken