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Helmut Dahmer

Interventionen. Revolutionen, Regressionen, Interpretationen

Münster: Westfälisches Dampfboot 2012; 194 S.; 19,90 €; ISBN 978-3-89691-916-8
Die kritische Theorie der Frankfurter Schule stellt sicher eine der einflussreichsten sozialwissenschaftlichen Philosophien des 20. Jahrhunderts dar. Nun geht es in diesem Buch zwar nicht um eine Einführung in die kritische Theorie (obwohl der Autor sich deren Tradition verpflichtet fühlt), man könnte aber dennoch sagen, dass Helmut Dahmer gewissermaßen die praktischen Intentionen, die sich hinter dem hochwissenschaftlichen Jargon von Adorno, Horkheimer und Co. verbergen, in die Alltagssprache übersetzt und mit den Lebenserfahrungen des berühmten „Otto Normalverbrauchers“ abgleicht. Ein Hauptanliegen der kritischen Theorie war und ist es, „das Bewusstsein, das Individuen und Gruppen von ihren Lebensverhältnissen und Institutionen haben, zu erweitern und sie so der Gewalt von Wiederholungszwängen […] zu entziehen“ (31). Und genau darum geht es eigentlich in diesem Buch: Bewusstseinserweiterung, kritisches Hinterfragen der Lebensverhältnisse und Institutionen, an die man sich im Laufe der Jahre so gewöhnt hat, dass sie als naturgegebene Ordnung erscheinen. In insgesamt 75 kurzen (ein‑ bis vierseitigen) Glossen „interveniert“ der Autor, unterbreitet uns seine Gedanken zu aktuellen und historischen Ereignissen. Dabei werden so unterschiedliche Themen aufgegriffen wie die Bedeutung von Mauern in der Geschichte der Politik, die Französische Revolution, die Freud’sche Psychoanalyse, Boat People, Faschismus, Zwangskollektivierung im Stalinismus oder der Palästina‑Konflikt. Zwischendrin wird dann auch einfach einmal nur ein Roman gewürdigt oder ein Artikel aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung kommentiert. Die einzelnen Beiträge entstanden größtenteils im Verlauf der vergangenen zehn Jahre, einige davon wurden für eine peruanische Tageszeitung verfasst. In der Gesamtschau legt Dahmer ein wundervolles Lesebuch vor, mit dem er den Leser zwar nicht entmündigt, indem er ihm bestimmte Interpretationen der Ereignisse aufdrängt, ihn aber durchaus antreibt, Perspektivenwechsel zu vollziehen, (scheinbar) alltägliche Dinge zu reflektieren und neu zu bewerten. Gedanklich anregend sind Dahmers Interventionen dabei gleichermaßen für politisch interessierte Bürger wie für theoretisch geschulte Sozialwissenschaftler.
Björn Wagner (BW)
Dipl.-Politologe, Doktorand und Lehrbeauftragter, Universität Jena.
Rubrizierung: 1.3 | 5.42 | 5.46 | 2.313 | 2.35 | 2.37 | 2.25 | 2.62 | 2.63 | 4.41 | 4.43 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Helmut Dahmer: Interventionen. Münster: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35715-interventionen_43130, veröffentlicht am 21.02.2013. Buch-Nr.: 43130 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken