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David Harvey

Rebellische Städte. Vom Recht auf Stadt zur urbanen Revolution. Aus dem Englischen von Yasemin Dinçer

Berlin: Suhrkamp 2013 (edition suhrkamp 2657); 283 S.; 18,- €; ISBN 978-3-518-12657-8
„Wie alle anderen Krisen ist auch die heutige eine urbane Krise.“ (105) Wir können daher nach Ansicht von David Harvey weder die verschiedenen (und doch so ähnlichen) Entwicklungen der Metropolen und urbanen Räume ohne den globalen Finanzkapitalismus verstehen – noch andersherum. Der Humangeograf und Sozialtheoretiker zeigt auf, wie stark die Entwicklung des Kapitalismus auf die Urbanisierung und damit die direkte Umstrukturierung des Zusammenlebens der Menschen angewiesen ist und war, wenn beispielsweise städtische Großprojekte oder Investitionswellen den systematischen Kapitalüberschuss zu binden versuchen. Da die Stadt aber mehr ist als nur ein Ensemble von Konsum‑, Wohn‑ und Arbeitsorten – oder einer Subsumption von Kapital –, sondern darüber hinaus den mit wichtigsten Bezugspunkt für die menschlichen Lebensverhältnisse darstellt, ergibt sich aus Harveys Sicht ein Recht auf Stadt – als ein Recht auf die selbstbestimmte Entscheidung, wie diese Verhältnisse zu gestalten sind. Wenn also „die neoliberale Ethik eines habgierigen Individualismus zur Schablone für die Sozialisation der menschlichen Persönlichkeit“ (46) wird, so ist das nur die Spitze des Eisbergs einer globalen Privatisierung der Überschussgewinne durch die gezielte Planung des Umbaus der urbanen Regionen. In diesen stehe eine kleine Klasse von Besitzenden einer Masse an (mindestens) prekarisierten, isolierten, verdrängten oder vollends verelendeten Subjekten gegenüber. In der Urbanität tritt daher potenziell der Klassenkampf am deutlichsten hervor, weshalb Städte auch zu Zentren der herrschaftlichen Kontrolle werden mussten. Als solches fungiert die Stadt aber auch als Schmelztiegel eines neudefinierten Proletariats, dass alle Produzent_innen urbaner Verhältnisse umschließt. Indem die Analyse ein Verständnis der Methoden von Ausbeutung oder der Vereinnahmung von Kollektivgütern – als die Wege, wie sich der Kapitalismus jede Form von Lokalität, Kulturalität und Authentizität für eine Kapitalakkumulation zu Nutzen macht – bietet, ist sie dieser Subjektivität Werkzeug für den antikapitalistischen Kampf, der in den Städten austragen wird. Harveys Buch ist dabei mehr als nur eine weitere Krisenintervention, es ist ein äußerst gelungener Crash‑Kurs in marxistischer Theorie, der deren Relevanz für die reale Lebenswelt nachzuvollziehen vermag: für die Stadt und das „Recht darauf, [sie] als sozialistisches Gemeinwesen nach einem völlig anderen Bild umzubauen“ (239).
Alexander Struwe (AST)
B. A., Politikwissenschaftler, Student, Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Rubrizierung: 2.2 | 2.21 | 2.22 | 2.262 | 2.263 | 2.61 | 2.64 | 2.68 | 5.42 | 5.45 Empfohlene Zitierweise: Alexander Struwe, Rezension zu: David Harvey: Rebellische Städte. Berlin: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35832-rebellische-staedte_43608, veröffentlicht am 13.06.2013. Buch-Nr.: 43608 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken