Permanente Revolution. Totalitarismus im Zeitalter des internationale Bürgerkriegs. Hrsg. von Gerhard Besier und Ronald Lambrecht
Sigmund Neumanns Hauptwerk galt lange Zeit als „vergessener Klassiker“ (Alfons Söllner) der Totalitarismustheorie, verglichen mit Studien anderer deutscher Emigranten wie Hannah Arendts „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“, Ernst Fraenkels „Doppelstaat“ oder Franz Neumanns „Behemoth“. Das erklärt, warum die deutsche Übersetzung mehr als 60 Jahre auf sich warten ließ – die Originalausgabe war im Kriegsjahr 1942 erschienen. Gerhard Besier und Ronald Lambrecht vom Lehrstuhl für Europastudien an der TU Dresden haben sich dieser Aufgabe angenommen und sie mit Bravour gelöst. Nicht nur die umfangreiche Kommentierung von Ereignissen, Begriffen und Personen ist lobend zu erwähnen, sondern auch die Tatsache, dass die Neumann'sche Praxis, Zitate unzureichend zu belegen, weitestgehend kompensiert werden konnte. Obzwar das Buch ein Produkt der Kriegszeit ist, widmet sich Neumann der vergleichenden Analyse der nationalsozialistischen und der sowjetischen Diktatur, auch wenn Letztgenannte aufgrund der historisch‑politischen Konstellation ein wenig zu kurz kommt. Beiden sei – so Neumann – gemein, dass die Revolution, die die totalitären Bewegungen an die Macht bringe, dauerhaft institutionalisiert werde, um den Machterhalt zu sichern. Daraus folge ein Ewigkeitsanspruch, mit dem sich totalitäre Diktaturen von den Tyranneien der Antike unterschieden. – So richtig es ist, den römischen Diktaturbegriff vom modernen zu trennen, scheint es gleichwohl zweifelhaft, ob antike Diktatoren wie Caesar ausnahmslos an der Beseitigung des Notstands der Republik zu deren Wiederherstellung orientiert oder nicht vielmehr ebenfalls an der eigenen, dauerhaften Herrschaftssicherung interessiert waren. Von anhaltendem Interesse ist Neumanns Untersuchung der rivalisierenden Gruppen hinter dem Führer, womit er die Diskussion zwischen Intentionalisten und Strukturalisten aus den 1970er‑ und 1980er‑Jahren des letzten Jahrhunderts vorwegzunehmen scheint. Allerdings ist bei dieser Lesart einer plakativen Vorwegnahme zukünftiger Debatten aufgrund der Historizität des Denkens Vorsicht geboten.