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Esther Duflo

Kampf gegen die Armut. Aus dem Französischen von Andrea Hemminger

Berlin: Suhrkamp 2013 (suhrkamp taschenbuch wissenschaft 2064); 182 S.; 16,- €; ISBN 978-3-518-29664-6
Wie kann Armut überwunden werden? Braucht es mehr oder weniger Entwicklungshilfe? Esther Duflo will die Debatte von einer abstrakten auf die konkret greifbare Ebene verlagern. Ihre entwicklungsökonomische Annahme lautet, dass es für eine Politik der Armutsbekämpfung unerlässlich ist, „jede dieser Politiken gründlich zu testen und dabei sowohl den Preis als auch die Wirkungen zu vergleichen“ (18). Sie setzt dabei auf eine von klinischen Studien inspirierte Evaluation per Zufallsprinzip, was nicht nur Transparenz, sondern vor allem Vergleichbarkeit gewährleisten soll. Werden Maßnahmen auf diesem Weg als erfolgreich bestätigt, so könnte in einer Gegenüberstellung von Kosten und Nutzen nach der bestmöglichen Kombination gesucht werden. In den Bereichen Bildung und Gesundheit setzt Duflo ihre vergleichenden Ergebnisse den Entwicklungshilfe‑Skeptiker_innen entgegen. Einfache, aber erfolgreiche Maßnahmen, die Kinder zum Schulbesuch oder Familien zur Teilnahme an Impfprogrammen motivieren, stünden „in einem erstaunlichen Gegensatz zu der armseligen Vorstellung, die die Einrichtungen im Schul‑ und Gesundheitswesen insgesamt abgeben“ (93) – für Duflo ein Grund zu vorsichtigem Optimismus. Denn das Funktionieren des Bildungs‑ und Gesundheitssektors sei der wichtigste Schritt zur Befähigung der Armen zur Selbsthilfe, die Duflo wiederum durch gezielte Anreize verwirklicht sehen will, da „jeder arme Mensch von Natur aus ein Unternehmer“ (101) sei. So stellt sie die Idee der Mikrokredite auf den Prüfstand, deren Vorteile sie nicht nur in Motivation und dem Zugang zu finanziellen Ressourcen, sondern auch in einer erzwungenen Spardisziplin verortet. Der Autorin geht es darum, eine Perspektive „von unten“ (144) zu entwickeln, die sie sich auch zur Evaluierung von Institutionen und Korruption zunutze machen will. Auch wenn Duflo letztlich zu einer differenzierten Einschätzung kommt, mangelt es ihrer Perspektive an jeglicher Einsicht in strukturelle Zusammenhänge. Indem sie „die Armen“ als Patienten einer klinischen Diagnose unterzieht, blendet sie die systematische Produktion dieser Schicksale als Bestandteil kapitalistischer Logik völlig aus. Dass sie diese Kritik vorwegnehmend als entwicklungsskeptischen Zynismus abtut, ändert nichts daran, dass ihre paternalistischen Programmvorschläge Teil der Logik bleiben müssen, die sie zu bekämpfen vorhat.
Alexander Struwe (AST)
B. A., Politikwissenschaftler, Student, Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Rubrizierung: 2.2 | 2.263 | 4.43 | 4.44 Empfohlene Zitierweise: Alexander Struwe, Rezension zu: Esther Duflo: Kampf gegen die Armut. Berlin: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35919-kampf-gegen-die-armut_43889, veröffentlicht am 04.07.2013. Buch-Nr.: 43889 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken