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Alain Badiou

Das Erwachen der Geschichte. Aus dem Französischen von Richard Steurer-Boulard. Hrsg. von Peter Engelmann

Wien: Passagen Verlag 2013; 135 S.; brosch., 16,- €; ISBN 978-3-7092-0066-7
„Wenn die Geschichte erwacht, übernimmt das Erwachen das Ruder, dann muss man es begrüßen und muss die Idee seiner vernünftigen Konsequenzen besetzen. Das ist ein Wert an sich. Die Ergebnisse sind zweitrangig.“ (112) Mit einem solchen Erwachen verbindet der französische Philosoph Alain Badiou die Hoffnung auf einen geschichtlichen Aufstand, der den Prozess der menschlichen Emanzipation über den aktuellen Status einer Zwischenzeit im globalen Kapitalismus hinaustreibt. Auslöser und Sinnbild des Erwachens sind die Aufstände im arabischen Raum, besonders in Ägypten oder der Türkei, die jenen Handlungstopos des Nicht‑Weichen‑Wollens vor einem Staat mit den Ideen der Menschenrechte und freiheitlichen Demokratie verbinden. Geistiges Erwachen entbindet in der philosophischen Erzählung Badious eine lange verschollen geglaubte universelle Wahrheit, die im Aufstand die Verkrustung des Bestehenden aufbricht und das Feuer der Wahrheit neu entfacht. In elf knappen Episoden umkreist der Autor den geschichtlichen Aufstand der Unterdrückten und Sprachlosen, die sich gegen die Allmacht des Staates wie gegen die vermeintliche Wahrheit vom ewigen „[M]odernisieren, [R]eformieren, [V]erändern“ (12) im Kapitalismus wehren. Im Aufstand, im Bild des Erwachens, liegen der Wert und die Grenze des Bandes. Die Wissenden der Wahrheit – Philosophen im Sinne Badious – müssen sich um Ergebnisse des Prozesses nicht scheren, mahnen allein die historische Chance als geistige Bewegung an. Die Differenzen innerhalb der Aufstände und ihrer Beteiligten, ihre individuellen Ideen und politischen Kontexte verschwinden vor einer Idee der Emanzipation, die doch schon besteht, nur vorangetrieben werden muss. Umso verständlicher scheint der eigensinnige Ruf Badious, das Erwachen nicht zu versäumen. Ob die Weltenläufte tatsächlich eine universelle Idee fördern, ob Gewalt oder Krieg ihre Bahnen säumen, scheint zweitrangig. Die Eigenständigkeit der gegensätzlichen Akteure, ihre Ziele, Motive und Verluste drohen dahinter verloren zu gehen oder hatten niemals mehr als den Wert eines Sinnbildes.
Ellen Thümmler (ET)
Dr., Politikwissenschaftlerin, wiss. Mitarbeiterin, Institut für Politikwissenschaft, Technische Universität Chemnitz.
Rubrizierung: 5.42 | 2.2 | 2.63 | 2.61 | 2.25 Empfohlene Zitierweise: Ellen Thümmler, Rezension zu: Alain Badiou: Das Erwachen der Geschichte. Wien: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/35989-das-erwachen-der-geschichte_43927, veröffentlicht am 25.07.2013. Buch-Nr.: 43927 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken