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Ulrich Horstmann

Die geheime Macht der Ratingagenturen. Die Spielmacher des Weltfinanzsystems

München: FinanzBuch Verlag GmbH 2013; 301 S.; hardc., 19,99 €; ISBN 978-3-89879-793-1
Standard & Poor’s, Moody’s und (mit etwas Abstand) Fitch – die Namen der drei weltgrößten und einflussreichsten Ratingagenturen lösen Emotionen aus, die irgendwo zwischen ungläubigem Staunen und schierer Wut liegen dürften, je nachdem, ob man Börsenspekulant oder Regierungschef ist. Horstmanns Buch ist ein gut aufbereiteter und auch für Laien leicht verständlicher Zugang zu einer Welt zwischen Aktienmärkten, Börsenschocks, Kreditblasen und der sprichwörtlichen großen Politik. Angefangen mit einem fiktiven Szenario, das den Prozess hin zur Abwertung der Bonität der Vereinigten Staaten von Amerika ab dem Spätsommer 2013 entwirft, nimmt Horstmann vornehmlich drei Aspekte der Tätigkeit von Ratingagenturen in den Blick: Das ist zunächst ihre historische Entwicklung ab der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zu dem Punkt, an dem die Agenturen so mächtig waren, dass hierfür von Susanne Schmidt der Begriff der „Finanzialisierung“ geprägt wurde. Finanzialisierung drückt ein Verhältnis von Markt und Staat (also: Demokratie) aus, das dem Funktionieren des Marktes gegenüber politischen Imperativen den Vorrang einräumt. Im Kontext der Postdemokratie‑Debatte, auf die Horstmann allerdings nicht rekurriert, wäre das die neoliberale Hegemonie. Sodann geht es – in der den Band durchgängig kennzeichnenden, kritischen Perspektive – um eine Bestandsaufnahme der größten Fehleinschätzungen – von Enron über Worldcom bis hin zu Parmalat sowie zur gegenwärtigen Schuldenkrise. Daran schließt Horstmann Überlegungen an, wie sich die Macht der Ratingagenturen brechen ließe. Insofern er in der Intransparenz ihrer Tätigkeit, verbunden mit einer nicht minder intransparenten Verquickung mit staatlichen Institutionen, die Hauptursache dafür sieht, dass die Agenturen gegenwärtig einer demokratischen Kontrolle weitestgehend entzogen sind, liegen Reform‑ beziehungsweise Veränderungsoptionen für ihn auf der Hand: Der Intransparenz der Agenturen könne nur durch eine Aufwertung der Rolle des eigenverantwortlich handelnden, verantwortungsvollen – was auch immer das heißen mag – Anlegers begegnet werden. Falls dieser dann noch auf eine externe Expertise zurückgreifen wolle, so Horstmann, müsse diese eben kostenpflichtig sein: „Dann hört auch die überobligatorische Geheimniskrämerei um die Macht der Ratingagenturen auf. Sie wären wieder normale Dienstleister, ohne als Spielmacher durch staatlich sanktionierte Macht zu fungieren.“ (260) So gut zu lesen das Buch bis dahin auch ist – die Schlussempfehlungen enttäuschen dann doch.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 4.43 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Ulrich Horstmann: Die geheime Macht der Ratingagenturen. München: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36041-die-geheime-macht-der-ratingagenturen_43954, veröffentlicht am 08.08.2013. Buch-Nr.: 43954 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken