Varianten von Familialismus. Eine historisch vergleichende Analyse der Kinderbetreuungs- und Altenpflegepolitiken in kontinentaleuropäischen Wohlfahrtsstaaten
Habilitationsschrift Göttingen. – Ausgehend von der Diagnose, dass es einen steigenden Bedarf an Kinderbetreuung sowie Pflege von älteren und kranken Familienangehörigen gibt, untersucht Sigrid Leitner die Entwicklung in jenen europäischen Wohlfahrtsstaaten, in denen diese Pflege und Betreuungsleistungen überwiegend familiär geleistet werden (sollen). Es handelt sich dabei um die – nach Esping‑Andersens Typologie – konservativen Wohlfahrtsstaaten. Leitend sind dabei die Fragen, inwiefern „sich die konservativen Wohlfahrtsstaaten tatsächlich durch eine spezifische familialistische Sozialpolitik“ (14) auszeichnen und wie in diesen Staaten Wandel erklärt werden kann. Der Begriff des Familialismus bezeichnet das „institutionalisierte System des Rückgriffs auf die Pflege‑ und Betreuungsarbeit der Familie“ (16) und ist ebenfalls in der vergleichenden Wohlfahrtsstaatsforschung im Anschluss an Esping‑Andersen verankert. Diese untersucht, in welchem Ausmaß „Staat und Markt die Familie von Pflege‑ und Betreuungsaufgaben“ (22) entlasten. Als konkrete Fallbeispiele greift Leitner Deutschland und Österreich heraus, die beide als Prototypen des konservativen Wohlfahrtsstaates gelten, sowie Frankreich und Belgien, die aufgrund ihrer Familienpolitik jeweils als Sonderfall innerhalb der Typologie angesehen werden. Leitner widmet jedem dieser Länder ein Kapitel, in dem sie zunächst die Kinderbetreuung und dann die Altenpflegepolitik nachzeichnet. Die Klassifizierung der jeweiligen Phasen und policies erfolgt entlang der von ihr vorab entwickelten Familialismus‑Typologie. Sie führt die Ergebnisse der Länderanalysen zusammen, indem sie die Entwicklungspfade des Familialismus in konservativen Wohlfahrtsstaaten identifiziert und in ihrem abschließenden Kapitel knapp erklärt. Diese gewinnbringende Studie der vergleichenden Wohlfahrtsstaatsforschung bietet für die aktuellen Debatten um den Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen einerseits und die Auseinandersetzung über Pflegebedarfe andererseits wichtige Denkanstöße.