Skip to main content
Norbert Hoerster

Was ist eine gerechte Gesellschaft? Eine philosophische Grundlegung

München: C. H. Beck 2013 (beck'sche reihe 6108); 144 S.; 12,95 €; ISBN 978-3-406-65293-6
Eng am Kernthema entlang erörtert der Philosoph Norbert Hoerster, was eine gerechte Gesellschaft ist – Fragen nach einer ihr angemessenen Staatsform, nach Generationen‑ oder globaler Gerechtigkeit bleiben dabei explizit außen vor. Gleichwohl können ihre Antworten im Verlauf der Argumentation durchaus mitgedacht werden. Hoerster differenziert zunächst zwischen Grund‑ und Verteilungsgerechtigkeit und arbeitet vor allem die elementaren Grundrechte heraus, die „im wohlverstandenen, fundamentalen Interesse jedes menschlichen Individuums“ (62) liegen. Diese Darstellung zentraler Abwehr‑ wie Anspruchsrechte (Recht auf körperliche Unversehrtheit; Pflicht auf Vertragserfüllung etc.) machen diese Schrift zugleich zu einer Einführungslektüre. Sie ist leicht verständlich geschrieben und illustriert die Problematik kurzweilig an Beispielen, die der deutschen Gegenwart entnommen sind (wie die Frage, ob es gerecht ist, dass Heidi Klum so viel mehr verdient als jede andere ‚normale‘ Fernsehmoderatorin). Zentral für die gesamte Argumentation ist die Auseinandersetzung mit den Schriften von John Rawls. Hoerster erteilt dessen Differenzprinzip und dem „Schleier des Nichtwissens“ eine deutliche Absage. Letzterer sei schlicht weltfremd und warum überhaupt sollte man beim Nachdenken über Gerechtigkeit jegliche Lebenserfahrungen vergessen, so sein Einwand. Aber auch von anderen Theoriesträngen grenzt sich Hoerster ab. Die Durchsetzung einer gerechten Gesellschaft ist seinen Ausführungen zufolge Aufgabe des Staates, der das Zusammenleben gerecht zu regeln hat. Legitim sind nur in diesem Sinne begründete Staatsaufgaben und Steuererhebungen. Dies schließt „sowohl eine staatliche Grundversorgung der unfreiwillig Armen als auch eine deutlich progressive Besteuerung der Reichen“ (141) ein. Es kommt dabei nicht darauf an, eine Gleichheit zwischen Menschen herzustellen, die verschieden sind – wer in der Lage ist, mehr aus seiner Person zu machen (als Moderatorin, Musiker oder Autorin), soll die Früchte seiner Arbeit auch genießen dürfen. Wohl aber sollten die Möglichkeiten für den Einzelnen gerecht gestaltet sein. Ungerecht und unverdient ist in dieser Perspektive folgerichtig Reichtum durch ein Erbe. Insgesamt argumentiert Hoerster schlüssig, bietet zahlreiche Anknüpfungspunkte für weitere Debatten und regt zugleich zum Nachdenken über die tatsächliche Politik und ihre (un‑)gerechten Ungereimtheiten an.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 5.42 | 5.41 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Norbert Hoerster: Was ist eine gerechte Gesellschaft? München: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36516-was-ist-eine-gerechte-gesellschaft_44622, veröffentlicht am 12.12.2013. Buch-Nr.: 44622 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken