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Imad Mustafa

Der Politische Islam. Zwischen Muslimbrüdern, Hamas und Hizbollah

Wien: Promedia 2013; 230 S.; 17,90 €; ISBN 978-3-85371-360-0
Der Titel hätte ebenso „Islamismus“ oder „Fundamentalismus“ lauten können, der Autor sieht aber beide Begriffe zu sehr mit negativen Zuschreibungen befrachtet. Der Begriff „Politischer Islam“ habe den Vorteil, „dass das Politische in den Vordergrund rückt und die gewiss vorhandenen irrationalen, manchmal auch gewalttätigen Elemente dieser Bewegungen nicht den Blick für tieferliegende Ursachen und Beweggründe ihres Handels verstellen“ (16). Mit dieser Perspektive gehen allerdings unklare Konturen der Begrifflichkeiten einher, worunter die gesamte Analyse leidet – und nicht nur darunter. In den Mittelpunkt stellt Imad Mustafa die „ägyptischen Muslimbrüder samt ihrer Parteineugründung Freiheits‑und Gerechtigkeitspartei, die palästinensische Hamas, die im Libanon ansässige Hizbollah sowie die ägyptische al‑Nur‑Partei (Partei des Lichts)“ (10). Bei der Untersuchung der historischen Genese dieser Vereinigungen, Gruppen und Parteien, die zwischen Politik und Religion explizit keinen Unterschied machen und Gewalt als legitimes Mittel betrachten, wählt Mustafa zudem einen systemimmanenten Ansatz. Dieser allerdings hat sich eigentlich spätestens seit dem Untergang der DDR – die kommunistischen Systeme hatten sich lange über diese Art der Expertise auch durch Teile der westlichen Forschung erfreuen dürfen – ob seiner analytischen Blindheit erledigt. Mustafa wählt trotzdem diesen Weg, um zu zeigen, wie sich der Politische Islam unter dem Eindruck von Kolonialismus und dem verpassten Anschluss an die (westliche) Moderne entwickelt hat. Und so scheint dessen Kern denn auch die Abwehr dieser Moderne zu sein, die wahre Freiheit von Individuum und Gesellschaft wird im Islam gesucht. Aufrechterhalten wird diese Abwehrhaltung nach dem Ende der Kolonialreiche vor allem durch die Feindschaft zu Israel. Da Mustafa die Perspektive der von ihm dargestellten Parteien und Bewegungen beibehält, geraten ihm aber gerade die Abschnitte über den Nahost‑Konflikt sehr einseitig, die von Islamisten gegen Israel ausgeübte Gewalt wird als reine Reaktion beschönigt. Diese Einseitigkeit ist insofern bedauerlich, als Mustafa insgesamt kenntnisreich einen Überblick über wichtige islamistische Strömungen vor allem in Ägypten, Syrien, Libanon und auch Iran vermittelt und damit die Motive wichtiger Akteure erklärt. Für eine Zustimmung zu seiner eher positiven Einschätzung dieser Kräfte mit Blick auf die weitere (demokratische?) Entwicklung im Nahen Osten fehlt nach der Lektüre des Buches allerdings ein begründeter Anlass.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.22 | 2.63 | 2.23 | 2.25 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Imad Mustafa: Der Politische Islam. Wien: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/36706-der-politische-islam_44805, veröffentlicht am 06.02.2014. Buch-Nr.: 44805 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken