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Martina Kuntze

Bundesstaatliche (De-)Zentralisierungstendenzen im Lichte der Föderalismusreformen I und II

Leipzig: Leipziger Universitätsverlag 2013; 312 S.; hardc., 42,- €; ISBN 978-3-86583-818-6
Diss. Leipzig; Begutachtung: T. Lenk, W. Sesselmeier. – Martina Kuntze untermauert in einer interessanten Analyse den von Arthur Benz bereits 1985 entwickelten Ansatz „Föderalismus als dynamisches Prinzip“ finanzwissenschaftlich. So geht sie der Frage nach, „inwiefern die Föderalismusreform I und II sowie die Ergebnisse der jüngst durchgeführten Gemeindefinanzreform zu einer stärkeren Zentralisierung oder auch Dezentralisierung von Aufgaben‑, Ausgaben‑ und Finanzierungsverantwortung“ (13) zwischen Bund und Ländern in der Bundesrepublik beigetragen haben. Bevor sie die Ergebnisse dieser beiden Reformprozesse untersucht, liefert Kuntze eine historische Längsschnittanalyse zu zentralen Einnahme‑ und Ausgabeparametern der beiden bundesstaatlichen Ebenen für den Zeitraum von 1950 bis 2006. Dieser Teil macht allein schon aufgrund seiner Ausführlichkeit den eigentlichen Wert dieser Arbeit aus. Dabei kommt sie in dieser mit Grafiken anschaulich aufbereiteten Untersuchung zu dem Schluss, dass das „Popitzsche Gesetz der Anziehungskraft des übergeordneten Etats“ (90) als widerlegt gelten muss. Vielfach wurde dieser Grundsatz angeführt, um die in der Bundesrepublik beklagte Zentralisierung der Kompetenzen beim Bund und die damit einhergehende Unitarisierung zu kritisieren. Kuntzes Ergebnisse zeigen jedoch, dass dabei von einer unidirektionalen Entwicklungstendenz nicht ausgegangen werden kann: Auch wenn die „dezentrale Ebene“ stets „höhere finanzielle Lasten zu tragen hatte als der Bund“ (90), vollzogen sich Verschiebungen zwischen den beiden Ebenen immer wieder wellenartig. Im letzten Abschnitt diskutiert Kuntze in einer für Finanzwissenschaftler erfreulich kritischen Art die in der deutschen Föderalismusdiskussion inzwischen als Ladenhüter angepriesenen Reformvorschläge. Ausgangspunkt bildet die auch in der Politikwissenschaft geteilte Annahme, dass sich „eine abschließende und perfekte Rahmenordnung für das finanzielle Bund‑Länder‑Verhältnis nicht finden“ (281) lässt. Damit stellt sie die von der ökonomischen Theorie des Föderalismus formulierte Nullpunkthypothese, die eine Neuordnung der Kompetenzen zwischen den Verfassungsebenen am Reißbrett unterstellt, infrage. Auch eine Stärkung der ländereigenen Steuerautonomie sowie eine Modifizierung des Konnexitätsprinzips schätzt Kuntze kritisch ein. Spätestens hier wird deutlich, dass sie als Mitarbeiterin an einer ostdeutschen Universität ein besonderes Bewusstsein für die nach wie vor schwierige Finanzlage der neuen Bundesländer hat – eine Problematik, die leider in vielen ähnlichen Diskussionsbeiträgen vernachlässigt wird.
Henrik Scheller (HS)
Dr. phil., Dipl.-Politologe, wiss. Mitarbeiter, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Lehrstuhl Politik und Regieren in Deutschland und Europa, Universität Potsdam.
Rubrizierung: 2.325 | 2.313 | 2.315 Empfohlene Zitierweise: Henrik Scheller, Rezension zu: Martina Kuntze: Bundesstaatliche (De-)Zentralisierungstendenzen im Lichte der Föderalismusreformen I und II Leipzig: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37088-bundesstaatliche-de-zentralisierungstendenzen-im-lichte-der-foederalismusreformen-i-und-ii_45346, veröffentlicht am 15.05.2014. Buch-Nr.: 45346 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken