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Martin H. W. Möllers

Öffentliche Sicherheit und Gesellschaft. Debatten im Kontext historischer Ereignisse seit 9/11

Frankfurt a. M.: Verlag für Polizeiwissenschaft, Prof. Dr. Clemens Lorei 2013 (Jahrbuch Öffentliche Sicherheit – Sonderband 9); 179 S.; 2., erw. Aufl.; 22,80 €; ISBN 978-3-86676-247-3
Martin Möllers geht auf sechs sicherheitspolitische Ereignisse in der Bundesrepublik ein, die nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 geschehen sind. Dieses Datum stelle eine Zäsur dar, seither stehe die innere und äußere Sicherheit vermehrt im Fokus und motiviere die Akteure in diesem Bereich dazu, „die Sicherheitsarchitektur […] in Richtung mehr ‚Sicherheit‘ auf Kosten der ‚Freiheit‘“ (43) zu verändern. So löste, wie der Autor aufzeigt, die Kindesentführung und Ermordung eines elfjährigen Bankierssohn im Oktober 2002 eine heftige Kontroverse um die Abschaffung der Unantastbarkeit der Menschenwürde und um ein staatliches Recht auf Folter aus. Der stellvertretende Frankfurter Polizeipräsident hatte einen Kommissar angewiesen, dem Täter zur Preisgabe des Aufenthaltsortes des entführten Jungen Schmerzzufügung anzudrohen. Mit der Menschenwürde hatte sich das Bundesverfassungsgericht auch im Zusammenhang mit dem Großen Lauschangriff zu beschäftigten. In zwei Urteilen räumte es dieser zwar „noch“ einen hohen Stellenwert ein und stimmte einem weiteren Abbau von „Menschenwürdestandards“ nicht zu. Doch der Autor geht davon aus, dass „die Abkehr von der Toleranz von Lebensformen anderer Menschen und die schwindende Akzeptanz pluralistischer Verschiedenheit auch vor den […] Richtern des BVerfG nicht halt machen“ (68 f.) wird. Wie viel Freiheit den Feinden der Freiheit gewährt werden sollte, wird am Beispiel des Parteiverbotsverfahrens gegen die NPD analysiert. Es endete 2003 erfolglos vor dem Verfassungsgerichtet und wird derzeit wieder diskutiert. Möllers befürchtet, dass ein Verbot der Partei „zu mehr Radikalisierung ihrer Mitglieder und Anhänger im Untergrund“ (120) führen könnte. Thematisiert werden auch die Entscheidungen des Gerichts zu Versammlungen von Rechtsextremisten. Diese wollten sich anlässlich der Wehrmachtsausstellung beziehungsweise zum Gedenken an Rudolf Heß in Wunsiedel und Bielefeld treffen, was durch die Exekutive verboten wurde. Dagegen protestierten sie vor dem Bundesverfassungsgericht, das 2009 eine „Entscheidung fällte, in der das Gericht eine ‚Ausnahme vom Verbot des Sonderrechts für meinungsbezogene Gesetze‘ für mit dem Grundgesetz vereinbar hielt und neue Maßnahmen für das Verbot rechtsextremistischer Versammlungen kreiert wurden“ (167). Diese seien in der Staatsrechtswissenschaft umstritten: Das Gericht habe den Polizeibehörden und den Verwaltungsgerichten damit einen „‚Bärendienst‘“ erwiesen, denn es sei damit zu rechnen, dass Rechtsextremisten weitere Versammlungen anmelden werden. Ob diese gemäß den Definitionen des Urteils „‚rein geistige Wirkungen‘ entfalten und von ihnen keinerlei ‚rechtsverletzende Wirkungen‘ ausgehen werden“ (177), werde nur schwer im Einzelfall zu ermitteln sein. Einige der Aufsätze hat Möllers bereits andernorts veröffentlicht.
Sabine Steppat (STE)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.32 | 2.34 | 2.323 | 4.41 | 2.64 | 3.5 Empfohlene Zitierweise: Sabine Steppat, Rezension zu: Martin H. W. Möllers: Öffentliche Sicherheit und Gesellschaft. Frankfurt a. M.: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37100-oeffentliche-sicherheit-und-gesellschaft_45161, veröffentlicht am 22.05.2014. Buch-Nr.: 45161 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken