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Asfa-Wossen Asserate

Der letzte Kaiser von Afrika. Triumph und Tragödie des Haile Selassie

Berlin: Propyläen Verlag 2014; 415 S.; geb., 24,99 €; ISBN 978-3-549-07428-2
„Von den einen wird er als erbarmungsloser Diktator verteufelt, von anderen als Heiliger verehrt“ (9), leitet Asfa‑Wossen Asserate, Großneffe des letzten äthiopischen Kaisers Haile Selassie, seine Biografie über diesen Negusa Negast, den König der Könige (so sein Titel), ein. Trotz beziehungsweise gerade wegen seiner familiären Nähe gelingt Asserate ein beeindruckendes Werk, in dem er sowohl kritisch und erstaunlich distanziert die zentralen Wegpunkte nachzeichnet als auch diese mit persönlichen Erfahrungen untermalt, um die Person Tafari Makonnen, so der Geburtsname des Kaisers, ein Stück weit besser zu verstehen. Das Leben von Haile Selassie spiegelt auch die Geschichte des 20. Jahrhunderts mit all seinen Schrecken, aber auch Neustarts wieder. Schon während des Ersten Weltkrieges erkannte er, dass der Schlüssel zur Souveränität Äthiopiens einerseits in einer geschickten Außenpolitik lag, um sich aus dem „Würgegriff“ (75) der Kolonialmächte zu befreien und die Einbettung in das internationale System zu schaffen, und andererseits in einer reformistischen Modernisierung des Landes. Seine historische Rede vor dem Völkerbund in Genf im Jahre 1936, als die faschistischen Truppen Mussolinis in Äthiopien eingefallen waren, bedeutete für den mittlerweile im Exil lebenden Selassie einen gewaltigen Triumph. Nicht ohne Grund vertonte Bob Marley diese zu einer Art Predigt des wiedergeborenen Messias der Rastafari‑Bewegung, wie der Kaiser gesehen wurde. Der anschließende Einsatz Selassies in der Bewegung der Entkolonialisierung bewegte Nelson Mandela sogar zu dem Ausspruch vom „afrikanischen Giganten“ (10). Doch die zunehmenden beschleunigten technologischen und ökonomischen Entwicklungen nach dem Zweiten Weltkrieg, die ein politisches Umdenken erfordert hätten, wollte Selassie nicht einsehen. Die Sicherung der eigenen Macht, die viel zu lange Regierungszeit und die Fortführung eines paternalistisch‑autokratischen Führungsstils standen nach Ansicht seines Neffen einer Öffnung des Landes hin zu einem modernen Staat im Wege. „Mit der Politik des Divide et Impera, der Haile Selassie folgte, ließen sich über Jahrzehnte hinweg grundlegende Versäumnisse und der Stillstand im Land übertünchen“ (363) fasst Asserate kritisch zusammen. Ihm ist mit dieser kritischen Betrachtung Haile Selassies in seinem historischen Kontext, gestützt auf ein breites Quellen‑ und Dokumentenverzeichnis, ein beeindruckend tiefgründiges Werk gelungen.
Christian Heuser (CHE)
Student der Politikwissenschaft und Soziologie, Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie, Universität Bonn.
Rubrizierung: 2.672.1 Empfohlene Zitierweise: Christian Heuser, Rezension zu: Asfa-Wossen Asserate: Der letzte Kaiser von Afrika. Berlin: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37308-der-letzte-kaiser-von-afrika_45694, veröffentlicht am 17.07.2014. Buch-Nr.: 45694 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken