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Bedrich Loewenstein

Kurt Sontheimers Republik

Göttingen: V&R unipress 2013; 235 S.; kart., 29,90 €; ISBN 978-3-8471-0034-8
Bedrich Loewenstein, ein tschechisch‑deutscher Historiker, berichtet in dem sehr freundschaftlich gehaltenen Buch zunächst weniger von der intellektuellen Biografie und den Schriften Kurt Sontheimers denn vom persönlichen Verhältnis zu ihm und den gemeinsamen Lebensstationen. Dieser etwas ungewöhnliche Einstieg ist vielversprechend, weil es dem Autor mit seinem liebenswürdigen Ton gelingt, unangemessene Überhöhungen zu vermeiden, ja Schwächen offen anzusprechen: So sei Sontheimer „keine imposante professorale Erscheinung, […] intellektuell geradezu einfach gestrickt" (22) gewesen, aber sein Lebensthema, die Verteidigung des demokratischen Verfassungsstaates, sichere dem 2005 verstorbenen Politikwissenschaftler bis heute ein beachtliches öffentliches Renommee. Dem persönlichen Blick folgt ein Gang durch die politisch‑intellektuelle Geschichte der Bundesrepublik und die bekannten Schriften Sontheimers. Immer wieder weist Loewenstein auf Sontheimers didaktische Absicht einer „normativen Wissenschaft“ (66) hin, die er zunächst gegen konservative, später gegen linke Kritiker in Stellung brachte. Zwar ist der Autor mit einer nüchtern‑liberalen und die bundesdeutsche Verfassungsordnung verteidigenden Position mehr als einverstanden. Jedoch merkt er mit deutlicher Skepsis und einigem Befremden an, dass Sontheimers Orientierung an Konsens und Normalität bei aller geschichtspolitischer Plausibilität theoretisch unbegründet blieb und spätestens seit den 1980er‑Jahren gegenüber den neuen sozialen und ökologischen Bewegungen eine deutlich abwehrende und herablassende Tendenz aufwies. Diese Einschätzung wiegt umso schwerer, als Sontheimer selbst „keine Antworten auf die Herausforderungen der post‑industriellen Gesellschaft“ (143) parat hatte, zumal sich sein Lebensthema – das beherzte Eingreifen für das Funktionieren der bundesrepublikanischen Ordnung – angesichts der vielfältigen Herausforderungen, die er wohl spürte, selbst überholt hatte. Ein wichtiger Intellektueller? Ja. Ein großer Wissenschaftler? Nein. So lässt der freundschaftliche Ton schließlich das nüchterne Urteil Loewensteins umso markanter hervortreten: Sontheimer wird überschätzt.
Frank Schale (FS)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Professur für Politische Theorie und Ideengeschichte, Technische Universität Chemnitz.
Rubrizierung: 1.32.313 Empfohlene Zitierweise: Frank Schale, Rezension zu: Bedrich Loewenstein: Kurt Sontheimers Republik Göttingen: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37319-kurt-sontheimers-republik_43567, veröffentlicht am 24.07.2014. Buch-Nr.: 43567 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken