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Wolfgang Sternstein

"Atomkraft – nein danke!" Der lange Weg zum Ausstieg

Frankfurt a. M.: Brandes & Apsel 2013; 240 S.; pb., 19,90 €; ISBN 978-3-95558-033-9
Die Ereignisse im Kernkraftwerk Fukushima I nach dem Erdbeben und dem Tsunami am 11. März 2011 sind als Zäsur in das kollektive Gedächtnis eingegangen. Bereits Mitte desselben Jahres läutete die Bundesrepublik die sogenannte Energiewende ein und gilt seither als Vorreiterin beim Ausstieg aus der zivilen Atomenergienutzung. Wolfgang Sternstein, Friedensforscher und ‑aktivist, sieht den Hauptgrund für die Beendigung der friedlich genutzten Atomenergie aber nicht in der Nuklearkatastrophe von Fukushima, sondern „im Protest und Widerstand breiter Bevölkerungskreise, insbesondere der Landbevölkerung, die vom Bau atomarer Anlagen unmittelbar betroffen war […]. Ein zweiter Grund war die Unterstützung des Widerstands durch kritische Wissenschaftler, Journalisten und Juristen.“ (22). Vor dem Hintergrund dieser These rekonstruiert der Autor über weite Strecken die wechselvolle und konfliktreiche Geschichte der in Wyhl, Gorleben und vielen anderen Orten aktiven Anti‑Atomkraftbewegung. Dabei ist die zum Teil minutiöse Darstellung nicht als streng wissenschaftliche Analyse zu verstehen. Sie enthält persönliche Eindrücke, ist streckenweise stark vom politischen Standpunkt des Autors geprägt und diskutiert die Argumente der Atomkraft‑Befürworter_innen nicht in abwägender Art und Weise. Genau dies ist aber nicht als Manko, sondern als Stärke zu verstehen: Das Buch ist das Plädoyer eines Friedens‑ und Anti‑Atomkraftaktivisten, über die Gefahren der vermeintlich sauberen und billigen Energiequelle Atomkraft zu reflektieren und auf die Nutzung atomarer Energie zu verzichten sowie das klare Bekenntnis zur Gewaltfreiheit bei allen Aktionen, die für die Durchsetzung dieses politischen Ziels ins Leben gerufen werden. Mit dem Bekenntnis zur Gewaltfreiheit und im Zuge des Erstarkens von K‑Gruppen, Spontis und Militanten wurde das Vorstandsmitglied des Bundesverbands Bürgerinitiativen Umweltschutz Sternstein allerdings selbst zum Außenseiter. Dies spiegelt sich bereits in der Darstellung der Ereignisse im ersten großen Teil des Buches, noch stärker allerdings im letzten Teil: Das Ziel kann für Sternstein nicht die gewaltsamen Mittel rechtfertigen, weshalb er sich dezidiert vom militantem Flügel der Anti‑Atomkraftbewegung abgrenzt. Anders als die Militanten begreift Sternstein Gewaltfreiheit als Stärke, weil sie für ihn die Fähigkeit ist „Gewalt hinzunehmen, ohne dem Verlangen nach Rache oder Vergeltung nachzugeben, um [die Gewalt] auf diese Weise zu überwinden“ (199).
Ines Weber (IW)
M. A., Politikwissenschaftlerin (Kommunikationswissenschaftlerin, Psychologin), wiss. Mitarbeiterin, Institut für Sozialwissenschaften, Christian-Albrechts-Universität Kiel.
Rubrizierung: 2.3312.3412.343 Empfohlene Zitierweise: Ines Weber, Rezension zu: Wolfgang Sternstein: "Atomkraft – nein danke!" Frankfurt a. M.: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37346-atomkraft--nein-danke_44954, veröffentlicht am 31.07.2014. Buch-Nr.: 44954 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken