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Steffen Lehndorff (Hrsg.)

Spaltende Integration. Der Triumph gescheiterter Ideen in Europa – revisited. Zehn Länderstudien

Hamburg: VSA 2014; 349 S.; 24,80 €; ISBN 978-3-89965-574-2
Steffen Lehndorff kritisiert, dass die nationale Ebene in den Krisenbetrachtungen zur EU zu wenig in den Blick genommen wird. Daher widmen sich die Autor_innen des Bandes zehn EU‑Ländern und analysieren deren politische und ökonomische Lage in der Krise. In drei weiteren Beiträgen werden die Entwicklungen auf europäischer Ebene näher in den Blick genommen. Der Herausgeber beobachtet seit Ende 2013 zwar einen leichten Wirtschaftsaufschwung in der EU, doch handele es sich dabei um einen „Aufschwung durch Verarmung“ (20) der Bevölkerung. Die strikte Austeritätspolitik führe zur Senkung der Löhne und Sozialausgaben bei kaum sinkenden Staatsschulden und bewirke so ein Wachstum, das keine wirtschaftlichen Verbesserungen für das Land und die Menschen schaffe. Allerdings divergieren die Ursachen der Krisen in den Ländern, wie in den Beiträgen herausgearbeitet wird. Für Irland, ehemals als „keltischer Tiger“ bezeichnet, zeigt James Wickham, dass der dortige Wirtschaftsboom vor der Krise auf einer Immobilienblase und sehr niedrigen Steuersätzen für internationale Unternehmen und Investitionen beruhte. Durch die staatliche Übernahme der Schulden des Bankensektors in der Krise seien die irischen Staatsschulden explodiert. Doch anstatt die Banken in Haftung dafür zu nehmen und die Steuern anzuheben, seien die Sozialleistungen beschnitten, die Staatsschulden als eigentliches Problem und die niedrigen Steuern als unverzichtbar und unantastbar deklariert worden – entgegen der Kritik von einigen Mitgliedstaaten und der EU‑Kommission. Deutschland wird im öffentlichen Diskurs zumeist als Krisengewinner dargestellt, was mehrheitlich mit dem Erfolg der Agenda 2010 begründet wird. Lehndorff vertritt hingegen in seiner Länderstudie die Ansicht, dass eher die antizyklische Politik der Bundesregierung und die Standhaftigkeit der Gewerkschaften in der Lohn‑ und Beschäftigungspolitik 2008/2009 dazu beigetragen haben, die Krisenauswirkungen in Deutschland abzufangen. Er sieht also gerade die teilweise Abkehr und Aufweichung der Agenda 2010 als Ursachen für die gegenwärtig stabile Lage. Der Sammelband demonstriert damit eindrucksvoll, wie vielfältig die Strategien zur Bekämpfung der Krise und deren Auswirkungen in den Ländern waren und sind. Gleichzeitig heben alle Autor_innen hervor, dass nur das Zusammenspiel aus nationaler und europäischer Opposition gegen die neoliberale Politik in den Nationalstaaten und den EU‑Institutionen helfen könne, alternative politische Impulse zu setzen.
Stefan Wallaschek (WAL)
Doktorand, Bremen International Graduate School of Social Sciences (BIGSSS).
Rubrizierung: 3.1 | 2.61 | 3.7 | 3.4 | 3.5 | 2.342 | 2.4 | 2.262 Empfohlene Zitierweise: Stefan Wallaschek, Rezension zu: Steffen Lehndorff (Hrsg.): Spaltende Integration. Hamburg: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37511-spaltende-integration_45081, veröffentlicht am 11.09.2014. Buch-Nr.: 45081 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken