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Rudolf Muggli (Hrsg.)

Ist der Föderalismus an der Zersiedelung schuld? Raumplanerische Entscheidungsprozesse im Spannungsfeld von Demokratie, Föderalismus und Rechtsstaat. Hrsg. von der Sophie und Karl Binding Stiftung

Zürich: Verlag Neue Zürcher Zeitung (NZZ Libro) 2014; 168 S.; 38,- €; ISBN 978-3-03823-897-3
Angesichts der etwas ausgetretenen Diskurspfade in der deutschen Föderalismusdiskussion lässt bereits der Titel von Rudolf Mugglis Studie aufmerken. Dass der Schweizer Föderalismus aufgrund seiner direktdemokratischen Elemente etwas anders gelagert ist und eine Übertragbarkeit der Ausgangsfragestellung auf Deutschland deshalb nur bedingt möglich ist, macht bereits der Untertitel des Bandes deutlich. Nichtsdestotrotz ist der interdisziplinäre Ansatz dieser Studie, an der Juristen, Politologen und Volkswirtschaftler im Vorfeld beteiligt waren, bemerkenswert. Ausgangspunkt bildet dabei die Frage, ob sich „die Vermutung bestätigen [lässt], dass in der Schweiz direkte Demokratie und Föderalismus die Zersiedelung und den Bodenverbrauch fördern“ (19). Die Studie geht deshalb zunächst dem unscharfen Begriff und der Bedeutung der Zersiedelung nach. Es verwundert kaum, wenn die Autoren – nicht zuletzt auch aufgrund der begrenzten Bodenressourcen, die aus der besonderen Topografie der Schweiz resultieren – die Zersiedelung als kritisches Phänomen betrachten, dem auch durch eine verbesserte Raumplanung begegnet werden müsse. Im Ergebnis kommen sie zu dem Schluss, dass die „Fehlentwicklungen in der Raumplanung“ weder dem Föderalismus noch der „halbdirekten Konsensdemokratie“ (22) – insbesondere auf Gemeindeebene – angelastet werden können, da mächtige Interessengruppen durch Volksentscheide eben auch ausgebremst werden könnten. In der Diskussion ihrer Ergebnisse empfehlen die Autoren eine Stärkung des Prinzips der institutionellen Kongruenz: Mit Blick auf die Raumplanung müsse eine Deckungsgleichheit der gebietskörperschaftlichen Kompetenzen hergestellt werden, sodass nicht eine Ebene über die Planungskompetenzen verfügen dürfe und die andere Ebene die Folgen zu tragen habe. In diesem Kontext werden auch mögliche Gebietsreformen – sowohl auf kommunaler als auch kantonaler Ebene – kurz diskutiert. Realisierbarer seien jedoch vor allem kleinkalibrige Reformen, wie die Herstellung von „Verfügbarkeit neutraler Informationen“ (150) sowie eine hinreichende wirtschaftliche Unabhängigkeit der Gemeinden von großen Arbeitgebern oder Grundeigentümern. Zudem müssten auch Defizite des Rechtsstaats in der Raumplanung beseitigt werden. Mit Blick auf die Bundesrepublik eröffnet die Studie einmal mehr die Frage, inwieweit angesichts des demografischen Wandels und des Bevölkerungsrückgangs in weiten Landstrichen eine verstärkte Beteiligung der Bürger in entsprechenden Planungsprozessen realisierbar wäre.
Henrik Scheller (HS)
Dr. phil., Dipl.-Politologe, wiss. Mitarbeiter, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Lehrstuhl Politik und Regieren in Deutschland und Europa, Universität Potsdam.
Rubrizierung: 2.52.212.2632.2 Empfohlene Zitierweise: Henrik Scheller, Rezension zu: Rudolf Muggli (Hrsg.): Ist der Föderalismus an der Zersiedelung schuld? Zürich: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37652-ist-der-foederalismus-an-der-zersiedelung-schuld_45953, veröffentlicht am 09.10.2014. Buch-Nr.: 45953 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken