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Stine Marg

Mitte in Deutschland. Zur Vermessung eines politischen Ortes

Bielefeld: transcript Verlag 2014; 294 S.; kart., 32,99 €; ISBN 978-3-8376-2728-2
Diss. Göttingen; Begutachtung: F. Walter, S. Salzborn. – Um es gleich vorweg zu nehmen: Die politische und gesellschaftliche Mitte in Deutschland, sie existiert – sie ist also weder Utopie noch Phantom. Allerdings unterliegt sie vielfältigen Wandlungsprozessen und „Spreizungen“ (256). Stine Marg unternimmt in ihrer fundierten empirischen Analyse den Versuch, dazu gleich zwei Fragen zu beantworten. Bei beiden geht sie davon aus, dass es so etwas wie die politische und gesellschaftliche Mitte und ihre nachgerade „mystische Aura“ (11), um deren Eroberung politische Parteien aus allen Lagern ringen, geben muss: „Mit welchen Methoden kann die ‚Mitte’ wissenschaftlich erforscht werden und wie ist diese ‚Mitte’ beschaffen?“ (14) Insbesondere für den methodologischen Aspekt der Arbeit avanciert die Definition dessen, was denn nun die Mitte überhaupt ist, zu einem zentralen Punkt. Marg stellt hierfür zwei Aspekte heraus. Zum einen ist die Mitte demnach ein sprachlich konstruierter Bezugspunkt, zum anderen eine In‑ beziehungsweise Exklusion bestimmter Individuen. Beiden Aspekten ist gemeinsam, dass sie auf eine dynamische Zuschreibungs‑ oder Zuordnungspraxis verweisen. Die Mitte ist damit kein statischer, sondern ein sich permanent wandelnder Ort. Für die Analyse bedeutet dies „daher zwingend, dass Personen zum Sprechen gebracht werden müssen“ (65). Marg beobachtet hierfür eine sogenannte Fokusgruppe, die in eine Gruppendiskussion eingebunden ist: „Die Diskussion in der Gruppe wird hier also als ‚institutionalisierte Produktionsstätte von Daten’ angesehen und als Erhebungsmethode eingesetzt.“ (73) In der Auswertung ergibt sich unter anderem der Befund, dass die politische Mitte einerseits eine gewisse Homogenitätserwartung an sich selbst formuliert, andererseits aber auf ganz unterschiedliche Arten und Weisen von der Politik angesprochen und gefordert wird. Der herkömmliche Dualismus des Bürgers als Citoyen und Bourgeois komme, so Marg, angesichts einer „politisch anspruchsvollen und polymorph modernen Gesellschaft“ (259) an seine Grenzen. Ihn gelte es neu zu füllen, um zu vermeiden, dass in der Mitte am Ende niemand mehr zu finden sei.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.35 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Stine Marg: Mitte in Deutschland. Bielefeld: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37706-mitte-in-deutschland_46078, veröffentlicht am 23.10.2014. Buch-Nr.: 46078 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken