Skip to main content
Stephan Bierling

Vormacht wider Willen. Deutsche Außenpolitik von der Wiedervereinigung bis zur Gegenwart

München: C. H. Beck 2014; 304 S.; brosch., 14,95 €; ISBN 978-3-406-66766-4
Stephan Bierling analysiert die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland seit der Wiedervereinigung. Als chronologisches Gliederungsschema dienen ihm die Kanzlerschaften Kohls, Schröders und Merkels. Zunächst zeigt er die jeweils wichtigsten sicherheits‑ und verteidigungspolitischen Entwicklungen in diesen drei Phasen auf, wobei er – im Rahmen des Kosovokriegs – sein Hauptaugenmerk auf die personellen und materiellen Beiträge zur NATO und UNO richtet. Anschließend widmet der Autor sich ausführlich der deutschen Europapolitik sowie den Beziehungen zu den USA, China und Russland als wichtigste nationalstaatliche Akteure der internationalen Politik. Ergänzende Blicke auf Deutschlands Rolle in weltweiten Krisenszenarien sowie aktuelle Herausforderungen wie den Klimawandel, die Menschenrechtsverletzungen oder die nukleare Proliferation runden das breite Spektrum ab. Angesichts des schnörkellosen und gut verständlichen Schreibstils und der stringenten Konzeption kann das Werk nicht nur einem wissenschaftlichen Fachpublikum, sondern auch einem breiten Leserkreis dienen. Die Zwischenresümees und die in einem gesonderten Kapitel gezogene Schlussbilanz sind zudem besonders für die Prüfungsvorbereitung von Studierenden geeignet. Im Vergleich der außenpolitischen Performance der drei Nachwende‑Kanzlerschaften arbeitet Bierling pointiert die Kontinuitäten und Unterschiede heraus. So sieht er etwa Kohls Agieren nach der Einheit als „von dem Bemühen gekennzeichnet, das Land als berechenbaren und zuverlässigen Partner im Westen zu verankern, der klassische Macht‑ und Einflusssphärenpolitik ablehnte“, weshalb Kohl das bereits von Adenauer gewählte „Prinzip der Selbsteinbindung“ (77) in den Kreis der westlichen Alliierten aufgegriffen habe. Schröder hingegen habe andere Akzente gesetzt, indem er sich „stärker von der Idee des Nationalstaats, der Interessenpolitik und der Unabhängigkeit leiten ließ“ (151), wofür das Nein zu dem von Bushs sogenannter Koalition der Willigen geführten Irakkrieg das prominenteste Beispiel liefert. Unter der Ägide Angela Merkels schließlich werde die deutsche Außenpolitik „stärker als je zuvor“ durch innenpolitische und wahltaktische Überlegungen beeinflusst, „militärische Zurückhaltung“ sei ein dominanter Faktor. Bierling führt dies auf das Fehlen klarer Bedrohungsszenarien, aber auch auf den ernüchternden Afghanistan‑Einsatz zurück, infolgedessen „die traditionelle Aversion der Deutschen gegen Auslandsmissionen der Bundeswehr“ (264) wieder durchschlage.
{HEI}
Rubrizierung: 4.21 Empfohlene Zitierweise: Ulrich Heisterkamp, Rezension zu: Stephan Bierling: Vormacht wider Willen. München: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/37841-vormacht-wider-willen_46316, veröffentlicht am 27.11.2014. Buch-Nr.: 46316 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken