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Tomáš Sedláček / David Graeber

Revolution oder Evolution. Das Ende des Kapitalismus? Gespräch mit Roman Chlupatý. Aus dem Englischen von Hans Freundl

München: Carl Hanser Verlag 2013; 144 S.; geb., 15,90 €; ISBN 978-3-446-44304-4
Tomáš Sedláček und David Graeber führen ihr Streitgespräch von einem gemeinsamen Ausgangspunkt aus: es gelte, „das Schlimmste zu verhindern“ (13). Seine ihm eigene Spannung bezieht das dokumentierte Gespräch aus der Tatsache, dass Sedláček, Professor für Wirtschaftsgeschichte an der Karls‑Universität Prag, und Graeber, Professor an der London School of Economics, zwei sehr unterschiedliche Standpunkte einnehmen, wenn es um die Frage nach dem angemessenen Umgang mit den kapitalistischen Systemen der Gegenwart geht. Während der Anarchist Graeber die Ansicht vertritt, der Kapitalismus habe sich in Gänze durch immer massivere Systemkrisen und eine sich weiter zuspitzende soziale Ungleichheit diskreditiert, weswegen es „höchste Zeit [sei], mit einem Nachfolgesystem zu experimentieren“, ist Sedláček weniger radikal. Aus seiner Perspektive eines Reformkapitalismus heißt das: Man müsse „den Kapitalismus im Grundsatz erhalten und ihm helfen [...], sich zu erholen.“ (12). Während beide die Option eines gewaltsamen Umsturzes, zumindest aber die Wirkmächtigkeit einer globalen antikapitalistischen Bewegung (Stichwort: Occupy), als gegeben betrachten und die Ursachen hierfür recht pauschal dem kapitalistischen System und seinen unmoralischen Institutionen anlasten, erweist sich die Beantwortung der Frage nach dem konkreten „Was tun?“ als wesentlich schwieriger. Gilt es etwa, „sich mit politischen Autoritäten zu verbünden, die die Logik des Marktes bis zu einem gewissen Grad einschränken“ (43), wie Graeber meint? Nur: Welche Autoritäten sollten das sein, und bis zu welchem Grad bedarf es der Einschränkung des Marktes? Oder gelingt eine Umwälzung des Bestehenden eher unter Rückbesinnung auf die „Prinzipien direkter Demokratie und Aktion“ (116)? Sedláček dagegen favorisiert eher unkonventionelles Denken, eine Abkehr von überkommenen Modellen, um das Zeitalter des Kapitalismus von Grund auf zu verändern. Umdenken scheint für ihn so simpel wie zentral, denn: „Wir glauben, dass wir in einem postideologischen Zeitalter leben, in Wirklichkeit aber ist es das am stärksten ideologisch geprägte Zeitalter, das es jemals gegeben hat“ (120). Insofern punktet das Buch nicht mit Lösungen, sondern mit den Denkanstößen, die in Form der versammelten Gespräche vorgetragen werden, es zeigen sich neue, andere, mitunter aber auch banal erscheinende Perspektiven.
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Rubrizierung: 2.2 | 2.22 | 4.43 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Tomáš Sedláček / David Graeber: Revolution oder Evolution. München: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38449-revolution-oder-evolution_46901, veröffentlicht am 21.05.2015. Buch-Nr.: 46901 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken