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Bastian Brinkmann

Die geprellte Gesellschaft. Warum wir uns mit der Steuerflucht von Reichen und Konzernen nicht abfinden dürfen

München: Deutsche Verlags-Anstalt 2014; 254 S.; geb., 19,99 €; ISBN 978-3-421-04646-8
„Wer schreibt heute die Steuergesetze: die Menschen oder das Kapital?“ (8) fragt der Journalist Bastian Brinkmann einleitend und eher rhetorisch. Denn seine Titelthese ist klar, Steueroasen und Steuerflucht schaden allen, sie verhindern Zukunftsinvestitionen, verzerren den Wettbewerb, nützen Kriminellen und haben politisch schädliche Auswirkungen. Steuerflucht sei im Gegensatz zu Steuerhinterziehung nicht strafrechtlich, aber sehr wohl moralisch zu verurteilen. Konzerne wie Apple hätten komplexe Geflechte aus Offshore‑Firmen konstruiert und zahlten so oft faktisch nirgendwo Steuern. Die Firma Apple Operations International habe etwa eine zentrale Stellung im Konzern: „Den irischen Steuerbehörden erzählt Apple, dass AOI nicht in Irland gemanagt wird. [...] Das amerikanische Finanzamt weist Apple hingegen darauf hin, dass der Sitz ja in Irland sei.“ (57) Somit sei die Tochterfirma praktisch staatenlos und damit von jeder Steuerlast befreit. Insgesamt zahle Apple offenbar auf Gewinne außerhalb der USA nur 2,5 Prozent Steuern. Dieses Vorgehen lohne sich vor allem für die globalen Aktionäre der Firma in Form hoher Dividenden. Solches und vergleichbares Verhalten bezeichne der Internationale Währungsfonds in einem Bericht als, zynisch ausgedrückt, lediglich „‚nicht offensichtlich illegal‘“. Manche Länder würden in der Konsequenz bis zu 20 Prozent ihrer potenziellen Steuereinnahmen verlieren. Absurd werde es etwa, wenn ein deutscher Kunde in Deutschland bei Amazon‑Deutschland ein E‑Book eines deutschen Verlages kaufe und dafür einen Vertrag mit einer Konzerntochter in Luxemburg abschließen müsse und so für die Transaktion nur drei statt neunzehn Prozent Mehrwertsteuer anfalle. Zumindest dieses Schlupfloch wolle die EU aber schließen und den Wohnort des Kunden zum entscheidenden Kriterium machen. Der Autor stellt verschiedene weitere wichtige Gegenmaßnahmen vor, am Wichtigsten sei mehr Transparenz: online veröffentlichte Steuererklärungen, Open‑Data‑Grundsätze für die staatliche Verwaltung, verständliche und ehrliche Bilanzberichte von Konzernen, effektive und zentralisierte Steuerbehörden, die in Unternehmensregistern keine Briefkastenfirmen mehr zulassen und ein modernisiertes Bankgeheimnis. Das sei gar nicht so abwegig, wie es klinge, in Norwegen seien Steuerdaten seit 150 Jahren öffentlich. Brinkmann fordert abschließend die Hinterzieher und Fiskalfüchtlinge „hart zu verfolgen [und] nichts unversucht zu lassen, ihr Treiben einzudämmen“ (254).
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Rubrizierung: 2.22.3434.43 Empfohlene Zitierweise: Wolfgang Denzler, Rezension zu: Bastian Brinkmann: Die geprellte Gesellschaft. München: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38491-die-geprellte-gesellschaft_46641, veröffentlicht am 04.06.2015. Buch-Nr.: 46641 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken