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Juri Andruchowytsch (Hrsg.)

Euromaidan. Was in der Ukraine auf dem Spiel steht. Mit einem Fotoessay von Yevgenia Belorusets

Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2014 (Sonderdruck edition suhrkamp); 207 S.; 14,- €; ISBN 978-3-518-06072-8
Unter der Herausgeberschaft des ukrainischen Lyrikers und Essayisten Juri Andruchowytsch haben sich europäische Schriftsteller_innen und Wissenschaftler_innen zusammengetan, um die Euromaidan‑Proteste zu würdigen. Einen ersten Versuch, „die Geschichte eines gerade vergangenen Augenblicks festzuhalten und zu begreifen“ (203), nennt es Katharina Raabe. Andruchowytsch eröffnet den Band mit einer Schilderung seiner persönlichen Eindrücke – „Fragmente aus jenen Tagen“ (10) – von den Geschehnissen auf dem Maidan im Dezember 2013, als dort eine Million Menschen demonstrierten. Die Auswirkungen der Eskalation auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew im Februar 2014 erlebte er während einer kleinen Tournee seiner Theatergruppe durch die Ukraine. Überall im Land sei das Entsetzen zu spüren gewesen, die Angst, aber vor allem der Mut der revolutionären „Selbstverteidigung“, die „ihr Land der Macht des Regimes [entriss]“ (15). Jurko Prochasko fragt: „Warum scheut man sich in Europa, das Geschehen in der Ukraine als ‚Revolution‘ zu bezeichnen?“ (116) Auch wenn das Ende noch offen sei, auch wenn es Positives wie Negatives zu beobachten und zu benennen gebe, dürfe man den revolutionären Charakter des Euromaidan nicht herunterspielen. Revolutionen „brechen die Wirklichkeit und die Zeit auf, und man gewinnt ungewohnt scharfe Einsichten“ (113). Die Revolution in der Ukraine erschüttere die Selbsttäuschung von einer europäischen Einheit. Prochasko äußert auch sein Unverständnis darüber, warum die EU‑Europäer augenscheinlich so unzufrieden mit der Union sind, und fordert gleichzeitig mehr Verständnis für den ukrainischen Wunsch der Annäherung und die dortigen Ereignisse. Er sieht eine „gemeinsame europäische Aufgabe darin, einander unsere Vorstellungen, Einstellungen, Wünsche und Erwartungen zu erklären“ – für eine längst überfällige „Revolution des Selbstverständnisses“ (120 f.). Der Ukrainer macht aus seiner antirussischen Haltung keinen Hehl und liefert in seinem Beitrag viele bemerkenswerte Denk‑ und Diskussionsanstöße. Der gesamte Band bietet eine erkenntnisreiche Mischung aus persönlichen und analytischen Einsichten und ist daher sowohl für Politikwissenschaftler_innen als auch für politisch interessierte Leser_innen sehr zu empfehlen.
{SWI}
Rubrizierung: 2.612.252.62 Empfohlene Zitierweise: Simone Winkens, Rezension zu: Juri Andruchowytsch (Hrsg.): Euromaidan. Frankfurt a. M.: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, http://pw-portal.de/rezension/38541-euromaidan_46632, veröffentlicht am 18.06.2015. Buch-Nr.: 46632 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken